Abschöpfung illegal erlangten Vermögens

Die Abschöpfung aus rechtwidrigen Taten erlangten Vermögens – der „Vermögensverfall“ nach den §§ 73 a – d Strafgesetzbuch

Der sogenannte „Verfall“ ermöglicht dem Staat Zugriff auf durch Straftaten gebildetes Vermögen zu nehmen und dem Täter die Einahmen und Früchte seiner Tat wegzunehmen.
Hierbei hatte der Gesetzgeber insbesondere geldvorteilhafte Delikte wie Korruption, Geldwäsche, Hehlerei, Embargoverstöße und Drogenhandel im Visier.
Den naturgemäß sehr gewinnorientierten Tätergruppen der vorgenannten Delikte soll keine aus der Tat erlangte Einnahme verbleiben – und die Tat damit nachträglich wertlos werden.
In jahrelang bestehenden „Korruptionsnetzwerken“ oder anderen Formen der wirtschaftlichen Bandenkriminalität können da leicht mehrstellige Millionenbeträge zusammen kommen, die zum Ermittlungszeitpunkt bereits in andere Vermögenswerte investiert worden sind, die der Staat dann einzieht.

Dabei macht es kaum keinen Unterschied, ob man als Täter oder Teilnehmer gehandelt hat oder als teilhabender Dritter nur durch das Handeln des Täters begünstigt war bzw. es um eigener Vorteile Willen auch nur hingenommen hat.

Es gibt jedoch in bestimmten Fällen auch Einschränkungen hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten des Staates.

Gliederung

I. Gesetzestext zum Verfall
II. Berechnung der Verfallssumme nach dem Bruttoprinzip
III. Einschränkungsmöglichkeiten der Einnahmenabschöpfung
a) Einschränkung auf der Berechnungsebene
b) Einschränkungen des Bruttoprinzips durch ein Übermaßverbot nach § 73c StGB
c) Keine Einschränkung des Bruttoprinzips durch Unternehmensverkauf

I. Gesetzestext zum Verfall

§ 73 StGB Verfall
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Verfall an. Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.
(2) Die Anordnung des Verfalls erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen. Sie kann sich auch auf die Gegenstände erstrecken, die der Täter oder Teilnehmer durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder auf Grund eines erlangten Rechts erworben hat.
(3) Hat der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt und hat dadurch dieser etwas erlangt, so richtet sich die Anordnung des Verfalls nach den Absätzen 1 und 2 gegen ihn.
(4) Der Verfall eines Gegenstandes wird auch angeordnet, wenn er einem Dritten gehört oder zusteht, der ihn für die Tat oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat.

§ 73a StGB Ersatzgeldbetrag
Soweit der Verfall eines bestimmten Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grunde nicht möglich ist oder von dem Verfall eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 abgesehen wird, ordnet das Gericht den Verfall eines Geldbetrags an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben dem Verfall eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

§ 73b StGB Schätzung der Verfallssumme
Der Umfang des Erlangten und dessen Wert sowie die Höhe des Anspruchs, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer das aus der Tat Erlangte entziehen würde, können geschätzt werden.

§ 73c StGB Härteklausel, Billigkeit
(1) Der Verfall wird nicht angeordnet, soweit er für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Die Anordnung kann unterbleiben, soweit der Wert des Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist oder wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat.
(2) Für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen gilt § 42 entsprechend.

§ 73d StGB Erweiterter Verfall
(1) Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Gegenstand dem Täter oder Teilnehmer nur deshalb nicht gehört oder zusteht, weil er den Gegenstand für eine rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat. § 73 Abs. 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 73b, und § 73 Abs. 2 gelten entsprechend.
(2) Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Tat ganz oder teilweise unmöglich geworden, so finden insoweit die §§ 73a und 73b sinngemäß Anwendung.
(3) Ist nach Anordnung des Verfalls nach Absatz 1 wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung begangen hat, erneut über den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers zu entscheiden, so berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
(4) § 73c gilt entsprechend.

II. Berechnung der Verfallssumme nach dem Bruttoprinzip

Es fragt sich bei der Berechnung zunächst, ob das Brutto- (also die gesamte Einnahmenabschöpfung) oder sogenannte Nettoprinzip (nur die Gewinnabschöpfung) gilt?
Unschwer fällt auf: Das Abschöpfen nur der Nettoeinnahmen, also der Bruttobeute abzüglich der im Zusammenhang mit der Tat entstandenen Ausgaben) würde das Tatrisiko für den Täter senken.

Der Täter könnte die Aufwendungen für seine kriminellen Handlungen von der an den Staat zu zahlenden Summe abziehen, so z.B. Löhne und Gehälter für Helfer.
Der Gesetzgeber hat daher das Bruttoprinzip ins Gesetz geradezu einzementiert.
Der Bundesgerichtshof hat das zunächst grundlegend und sehr deutlich gemacht, dass er dies auch konsequent anwenden wird, wie aus den nachfolgenden Urteilen (zunächst) ganz klar wurde (Urteilszitate):

„Bruttoprinzip“ bedeutet also, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erhalten hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491). Bei der Berechnung des bei einem verbotenen „Verkauf“ Erlangten ist deshalb vom gesamten Erlös, ohne Abzug des Einkaufspreises und sonstiger Aufwendungen, auszugehen (BGHSt 47, 369 [370]; BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 388, 389; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2000 – 1 StR 547/ 00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – 1 StR 12/ 01).
…Das Bruttoprinzip sollte die Anordnung des Verfalls nicht nur im Hinblick auf seine Berechnung praktikabler machen. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt vielmehr primär einen Präventionszweck.
Die dadurch angestrebte Folge, dass auch die Aufwendungen nutzlos sind, soll zur Verhinderung gewinnorientierter Straftaten – und insbesondere diese wollte der Gesetzgeber erfassen – beitragen. Müsste der Betroffene für den Fall der Entdeckung lediglich die Abschöpfung des Tatgewinns befürchten, so wäre die Tatbegehung unter finanziellen Gesichtspunkten weitgehend risikolos. Diesen Präventionszweck – der Verfallsbetroffene soll das Risiko strafbaren Handelns tragen – hatte der Gesetzgeber im Auge, als er sich auf den Rechtsgedanken des § 817 Satz 2 BGB bezog und darauf abhob, dass das in ein verbotenes Geschäft Investierte unwiederbringlich verloren sein soll (BGHSt 47, 369 [373 f.]).

BGH, Urteil vom 16.05.2006, Az. 1 StR 46/06.

Die Höhe des Verfalls (und des Verfalls des Wertersatzes) richtet sich nach dem Bruttoprinzip. Bruttoprinzip bedeutet, dass nicht bloß der Gewinn, sondern grundsätzlich alles, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat, für verfallen zu erklären ist (BGH NStZ 1995, 491).
Entscheidend ist, was dem Betroffenen gerade durch die Straftat zugeflossen ist oder was er durch diese erspart hat. Bei der Berechnung des – wie hier – durch einen Kauf Erlangten ist vom gesamten Verkaufserlös ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen auszugehen (BGH NStZ 1994, 123; NStZ 2000, 480; NStZ-RR 2000, 57; wistra 2001, 389; BGH, Beschluß vom 3. Dezember 2000 – 1 StR 547/ 00; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – 1 StR 12/ 01).

BGH, Urteil vom 21.08.2002, Az. 1 StR 115/02.

Bei Bestechungsfällen wird die dem Verfall unterliegende Summe nicht durch eine Beschränkung des Bruttoprinzips eingegrenzt: Maßgeblich für die Verfallsanordnung ist somit, welche Summe aus der Bestechung insgesamt erlangt wurde und nicht, welchen Nettogewinn die begünstigte Firma durch die Bestechung erzielt hat.

OLG Köln, Beschluss vom 21.11.2003, Az. 2 Ws 617/03.

Schon früh hatte der BGH klargestellt, dass dieses „harte Bruttoprinzip“ auch für den Drittbegünstigten nach § 73 III StGB gilt. Drittbegünstigter ist zunächst der Hintermann für den der Täter handelt. Das kann z.B. die Unternehmung sein, für die ein korrumpierender Angestellter lukrative Aufträge mit Bakschisch einholt.

Der Verfall ist, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, keine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art. Die Abschöpfung des über den Nettogewinn hinaus Erlangten verfolgt primär einen Präventionszweck.
Dies gilt auch für die Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB.

BGH, Urteil vom 21.08.2002, Az. 1 StR 115/02.

Diese auf den ersten Blick knallharte Brutto-Berechnungsweise – die seit 1992 gilt, wo nämlich statt des Nettoprinzips (Gewinnabschöpfung) das Bruttoprinzip (Einnahmenabschöpfung) eingeführt wurde – geht einigen Gelehrten und Richtern jedoch entschieden zu weit.
Argumentiert wird gegen dei totale Einnahmenabschöpfung durch das Bruttoprinzip u.a. damit, dass der Vermögensverfall als empfindliche Strafe gegen den Täter, aber auch gegen gutgläubige Dritte wirkt.
Strafen setzen jedoch nach der Gesetzesystematik des Strafgesetzbuches ein Verschulden voraus.
Deshalb könne der Verfall nur gegen solche Mittäter oder Dritte angeordnet werden, die auch ein (Mit-)verschulden trifft, also nicht gegen selber „schuldlos partizipierende“ bzw. gutgläubige Dritte (auch wenn diese an den geschmierten Aufträgen partizipiert haben, wie z.B. Gesellschafter oder Aktionäre und Fondsparer mit Gewinnbeteiligungen, aber auch Werktätige mit Löhnen und Gehältern).

III. Einschränkungsmöglichkeiten der Einnahmenabschöpfung

Die Problematik der Reichweite des Bruttoprinzips wird insbesondere dann offenbar, wenn es um die mehrjährige Einnahmenabschöpfung von Beträgen geht, aus denen Löhne und Gehälter von unbedarften Gutgläubigen Bürgern bezahlt wurden odre die den Wert eines traditionellen Unternehmens gesteigert haben, welches absolut nichts mit den unlauteren Taten des Täters zu tun haben – sondern nur das erbeutete Geld guten Glaubens im normalen wirtschaftlichen Kreis entgegengenommen und wieder ausgegeben haben.
Hier können durch die konsequente Anwendung des Bruttoprinzips das Vermögen Dritter nachträglich empfindlich abgewertet, schlimmstenfalls sogar entwertet werden.
Dies sind jedoch oftmals unbewusst von den Früchten der Tat mitprofitierende Menschen, die nicht einmal ansatzweise etwas vom unlauteren Wirtschaften des Täters wussten oder auch die, die dies (nur) durch Untätigkeit unterstützten (z.B. indem die Augen um des eigenen Vorteils willen verschlossen oder auf der Hand liegende Prüfungen unterlassen wurden).

Ein krasses Beispiel:

Plötzlich sollen – bei konsequenter Anwendung des Bruttoprinzips – z.B. von einem mittelständischen Unternehmen im Straßenbau, mit 300 Arbeitsplätzen und 2.000 Aktionären, für 5 Jahre Auftragserlangung durch Bestechung, die dadurch vereinnahmten 30 Mio. EUR Einnahmen an die Staatskasse gezahlt werden (also nehmen wir an, fünf Jahre lang jährlich 6 Mio. Euro vom Auftraggeber für „geschmierte Aufträge“ haben das Unternehmen, Mitarbeiter, Vorstand und Aktionäre versorgt und teilweise auch reich gemacht.)
Für die Einnahmen wurden schließlich z.B. Straßen gebaut, Arbeiter und bestenfalls sogar Steuern und Sozialabgaben bezahlt.

Das führt zu volkswirtschaftlich dramatischen Folgen.

Daher schränkte Bundesgerichtshof das zwar von ihm favorisierte „harte Bruttoprinzip“ durch einen Kunstgriff ein, in welchem zwar nicht das Bruttoprinzip in ein Nettoprinzip umgewandelt wurde, aber dem Nettoprinzip zumindest im Fall der sogenannten Drittbegünstigungen höchstrichterlich „angenähert“ worden ist – also eine Kompromißlösung.
Und zwar soll das Nettoprinzip eingeschränkt werden, sofern die Drittbegünstigten schutzwürdig sind. Die Schutzwürdigkeit kann hier wohl als zentrales Stichwort angesehen werden.

Anschaulich könnte man dies wie folgt bezeichnen: Der BGH drehte sich 2005 in einem Bestechungsfall nur halb auf dem Absatz herum, um keinen Schritt in eine andere Richtung als in seinen Entscheidungen aus 2002 und 2004 gehen zu müssen – was in der Entscheidung aus dem Jahr 2005 durch den BGH gleich auch noch einmal klar gestellt worden ist:

a) Einschränkung auf der Berechnungsebene

Der BGH führte u.a. dazu erhellend in einer Entscheidung über den Verfall von Bestechungserlösen aus:

Zutreffend hat der Generalbundesanwalt allerdings darauf hingewiesen, dass das Landgericht das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB nicht hinreichend genau bestimmt hat; entgegen der – insoweit vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen – Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Erlangte aber auch nicht der für den Bau der RMVA vereinbarte Werklohn in Höhe von 792 Mio. DM.
Durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe nicht der vereinbarte Preis, sondern der gesamte wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses; dieser umfasst den kalkulierten Gewinn und etwaige weitere, gegebenenfalls nach § 73b StGB zu schätzende wirtschaftliche Vorteile.

aa) „Aus der Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH NStZ 2001, 155, 156); „für die Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (vgl. BGHR StGB § 73 Erlangtes 4).
Für die Bestimmung desjenigen, was der Täter in diesem Sinne aus einer Tat oder für sie erlangt hat, ist das Bruttoprinzip unerheblich. Erst wenn feststeht, worin der erlangte Vorteil des Täters besteht, besagt dieses Prinzip, dass bei der Bemessung der Höhe des Erlangten gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. BGHSt 47, 260, 269).
Zudem muss die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter gerade aus der Tat gezogen hat; dies setzt eine Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen Tat und Vorteil voraus (vgl. BGHSt 45, 235, 247 f.; 47, 260, 269; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Eser in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 16; jeweils m. w. N.).
bb) Unmittelbar aus einer Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt ein Werkunternehmer im Rahmen korruptiver Manipulation bei der Auftragsvergabe lediglich die Auftragserteilung – also den Vertragsschluss – selbst, nicht hingegen den vereinbarten Werklohn (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 325 ff.; a. A. OLG Köln ZIP 2004, 2013; OLG Thüringen wistra 2005, 114).
Bei der Auftragserlangung durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) führt die „Tat“ als solche unmittelbar nur zu dem Vorteil des schuldrechtlichen Vertragsschlusses; die Vorteile aus der Ausführung des Auftrags wären hingegen nicht mehr unmittelbar aus der „Tat“ erlangt (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 73 Rdn. 30).
Strafrechtlich bemakelt ist lediglich die Art und Weise, wie der Auftrag erlangt ist, nicht dass er ausgeführt wird.
In diesem Punkt unterscheidet sich der Fall einer Auftragserlangung durch Bestechung von verbotenen Betäubungsmittelgeschäften oder Embargoverstößen.
Nur in solchen Fällen ist es deshalb gerechtfertigt, als das „Erlangte“ i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den gesamten vereinbarten Kaufpreis anzusehen (vgl. BGH NStZ 2000, 480; BGHSt 47, 369).

BGH, Urteil vom 02.12 2005, Az. 5 StR 119/05.

Daraufhin ging (natürlich) ein kritischer Aufschrei durch die Reihen derer, die auf die Prävention durch eine drakonische Anwendung des Bruttoprinzips setzten.
Der „Verfall“ wurde durch den BGH für eine Deliktsgruppe praktisch von einem „Bruttoprinzip“ zu einem „Brutto-mit-Vorausabzügen-Prinzip“ erklärt; hier wurde für viele plötzlich praktisch mit zweierlei Maß von höchster Stelle Recht gesprochen.

Der Wert „des erlangten“ Auftrages einer Bestechung liegt im zu erwartenden Gewinn unter Abzug von „Ausführungsaufwand“?
Das klang doch sehr nach einem Durchprügeln eines „Nettoprinzips für Spezialfälle“.

Sehr kritische Anmerkungen zu diesem das Bruttoprinzip einschränkenden BGH-Urteil vom 02.12.2005, Az. 5 StR 119/05, wurden dabei u.a. seitens seitens Herrn Dr. Kristian Hohn fundiert geäußert, veröffentlicht in wistra 2006, S. 321 ff. .

Unabhängig von diesen Kritiken in der Literatur muss man in der Praxis auf dem Boden dieser Entscheidung seither davon ausgehen, dass schlichte „Erfüllungsfälle“ gegenüber gutgläubigen Dritten (also nicht Hehler, Schieber oder Geldwäscher) vom Verfall ausgenommen sind.
Dies sind z.B. Fälle, in denen der Täter einem gutgläubigen Dritten Vermögensvorteile in Erfüllung rechtmäßiger Forderungen zukommen läßt, deren Entstehung in keinem inneren Zusammenhang mit der Tat steht (z.B. die Löhne für den redlichen Arbeiterstamm eines korrumpierenden Unternehmens bei der Ausführung eines durch die Korruption erlangten Auftrages).

Fraglich ist jedoch, ob dies auch bei unentgeltlichen Weitergaben des Erlangten an Gutgläubige gelten soll.
Muß man bei unentgeltlichen Zuwendungen (Schenkungen) nicht immer gutgläubig.

b) Einschränkungen des Bruttoprinzips durch das Billigkeitsprinzip nach § 73 c StGB

Soweit jedoch auf der Berechnungsebene kein solcher Kunstgriff (mehr) möglich ist und auf den man sich nicht verlassen sollte, kommt abmildernd eine Anwendung des auch durch das Grungesetz gebotenen Verhältnismäßigkeitsprinzips in § 73c StGB zugunsten des Täters, Teilnehmers oder Dritten in Betracht – was der oft sehr geradlinig denkende Gesetzgeber womöglich noch eher im Auge hatte, als doch sehr feinsinnige juristische Kunstgriffe schon bei der Berechnung des Wertes des Verfallsgegenstandes.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erhält also dann besondere Bedeutung, wenn mit einer tätergünstigen Berechnungsweise des Bruttoprinzips bzw. der Differenzierung nach „Erfüllung“ und „Bösgläubigkeit“ bei den enscheidenden Richtern nichts zu machen ist.

Für dieses Billigkeitsprinzip stellte der Bundesgerichtshof klar, dass der an sich gerechtfertigte Verfallsbetrag, wegen des Grundsatzes der Billigkeit durchaus begrenzt werden kann.

Es kann schließlich nicht im Interesse des Gesetzgebers sein, dass Betriebe und Arbeitsplätze durch einen präventiven staatlichen Eingriff wegfallen und damit mitunter tausende unschuldiger Familien zu Sozialfällen werden.

Beispielsfall aus der höächstricherlichen Praxis: Der übermäßig ehrgeizige Angestellte.
Diese Verhältnismäßigkeit/Billigkeit wurde vom BGH insbesondere im Fall eines anscheinend ehrgeizigen Angestellten ausführlich begründet , der seiner Unternehmung erhebliche Vorteile bei Auftragsvergaben „verschafft“ hatte.
Der Angestellte war dabei noch nicht einmal Gesellschaftsorgan (z.B. Geschäftsführer einer GmbH, Vorstand einer Aktiengesellschaft) sondern nur Angestellter der Gesellschaft.
Der BGH erklärte dabei, dass eine Gutgläubigkeit der Drittbegünstigten die Tür zu einer Herabsetzung der Einnahmenabschöpfung öffnen kann, wenn auch die Hürden hierfür hoch gesetzt sind.
Wobei der BGH gleich auch nochmals klarstellend betonte, dass es für die Einnahmenabschöpfung nach seiner Auffassung nicht auf ein Verschulden ankomme – wohl aber spiele die Gutgläubigkeit des Begünstigten eine Rolle.
Vor allem soll keine übermäßige Härte entstehen und den im Grungesetz gebotenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen (Stichwort: Übermaßverbot), das Recht soll also nicht immer „on all costs“ durchgesetzt werden.
Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einnamenabschöpfung führte der BGH im Jahre 2004 in einer Entscheidung ausführlich aus:

Das Landgericht hat den Verfallsbetrag zu Recht nach dem Bruttoprinzip ermittelt.
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß die Anwendung des Bruttoprinzips auch bei der Anordnung des Verfalls gegen einen Drittbegünstigten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BGHSt 47, 369, 372 f.; BGH wistra 2004, 227 – ebenfalls die Verfahrensbeteiligte B. GmbH betreffend -).
Diese Rechtsauffassung, an der der Senat festhält, entspricht inzwischen auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das insbesondere bestätigt hat, dass der Verfall auch unter der Geltung des Bruttoprinzips keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme ist (BVerfG NJW 2004, 2073).
Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, daß der Angeklagte W. im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB für die B. GmbH gehandelt hat.
Es bedurfte hierzu keiner Organstellung des W. Daß auch Taten von Angestellten einer betrieblichen Organisation dieser im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB zugeordnet werden können – und zwar auch dann, wenn die Unternehmensleitung gutgläubig ist – , hat der Bundesgerichtshof ebenfalls bereits grundsätzlich entschieden (BGHSt 45, 235). Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Entscheidung, die im Einklang mit dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Willen des Gesetzgebers steht, abzuweichen.

  1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch angenommen, dass die Verfallsanordnung nicht im Hinblick auf das Wissen und Verhalten der Verantwortungsträger der B. GmbH als Drittbegünstigte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einen niedrigeren Verfallsbetrag ausweisen muss oder gar ganz zu unterbleiben hat.
    Dies wird in der Regel zu prüfen sein, wenn der Drittbegünstigte bzw. die Organe einer juristischen Person gutgläubig sind (BGHSt 47, 369, 376).
    Den Geschäftsführer Dr. We. trifft auch nach den Feststellungen kein die Gutgläubigkeit beseitigender Vorwurf. Es kann jedoch nicht außer Betracht bleiben, daß Dr. We. 95 % seiner organschaftlichen Funktionen seinem mit Handlungsvollmacht versehenen Vertreter D. übertragen hatte. In diesem Rahmen durfte D. selbständig die B. GmbH leiten. Sein Handeln muss sich das Unternehmen zurechnen lassen.…
    Nach ständiger Rechtsprechung sind die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB nur erfüllt, wenn die Härte „ungerecht“ wäre und das Übermaßverbot verletzen würde (BGH aaO; BGH NStZ-RR 2002, 9). Die Auswirkungen der Maßnahme müssen daher im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber damit angestrebten Zweck stehen. Es müssen dabei besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (W. Schmidt in LK 11. Aufl. § 73c Rdn. 7).

    Diese Voraussetzungen könnten zwar unter Umständen erfüllt sein, wenn die Entscheidungsträger der B. GmbH gutgläubig gewesen wären
    (vgl. oben zu II. 3.); dies scheidet jedoch – wie bereits dargelegt – nach den getroffenen Feststellungen aus. Vor dem Hintergrund der festgestellten Umsätze im Millionenbereich und der Konzerngebundenheit der B. GmbH kann ferner von einer zu dem Verfallszweck außer Verhältnis stehenden Existenzgefährdung des Unternehmens nicht die Rede sein.

Auch sonstige tragfähige Gründe für die Annahme einer nicht zumutbaren Härte sind nicht ersichtlich.

BGH, Urteil vom 14. September 2004, Az. 1 StR 202/04.

c) Absage an Pfiffikusse – Keine Einschränkung des Bruttoprinzips durch zwischenzeitlichen Unternehmensverkauf

Manch ein ertappter Unternehmer kommt auf die auf den ersten Blick schlaue Idee, sein Unternehmen zu verkaufen, wenn er eine Vermögensstrafe befürchten muss.

Diesem Ausweichmanöver erteilte der BGH jedoch 2004 ebenfalls eine klare Absage, wie die folgende Entscheidung zeigt:

Die Verfallsbeteiligte macht mit ihrer Revision geltend, sie könne infolge des nach der Tatzeit erfolgten Unternehmensverkaufs und wegen der Unternehmensumwandlung nicht Verfallsadressatin sein.
Ferner habe das Landgericht bei der Höhe des Verfalls zu Unrecht das Bruttoprinzip angewendet. Jedenfalls aber hätte wegen des Schuldprinzips nur der Nettoerlös abgeschöpft werden dürfen.

Die S. GmbH & Co. KG ist die richtige Verfallsadressatin
a) An der Stellung der Kommanditgesellschaft als Verfallsadressatin hat auch der Verkauf und die Umwandlung des Unternehmens nichts geändert. Im November 1997, zwei Jahre nach Tatende, kaufte die amerikanische Firma G. die S. GmbH. 1998 wurde die S. GmbH in die S. GmbH & Co. KG umgewandelt; als neue Komplementärin beteiligte sich die Firma Ra. 209 Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH.
b) Die Umwandlung erfolgte durch Formwechsel gemäß § 1 Nr. 4 UmwG, für welche die §§ 190 ff. UmwG gelten. Wesentliches Merkmal des Formwechsels ist die wirtschaftliche Kontinuität des Rechtsträgers (vgl. Schmitt/ Hörtnagl/ Stratz, UmwG 3. Aufl. § 190 Rdn. 5). Da dieser identisch bleibt (Identitätsgrundsatz), findet auch kein Vermögensübergang statt (Kallmeyer, UmwG 2. Aufl. § 190 Rdn. 6). Der bisherige Rechtsträger besteht nach Durchführung des Formwechsels in seiner neuen Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Das führt dazu, dass Rechte und Pflichten, die während der Zeit der ursprünglichen Rechtsform entstanden sind, weiterbestehen, nunmehr allerdings in der Person des Rechtsträgers in seiner neuen Form.
Der Verfall war daher gegenüber der Kommanditgesellschaft anzuordnen, denn diese hat – Identitätsgrundsatz – die Tatentgelte für die Embargoverstöße in ihrer früheren Rechtsform erlangt.
Daran ändert auch der Gesellschafterwechsel infolge des Unternehmensverkaufs nichts, denn die Verfallsbeteiligte ist als juristische Person selbständige Trägerin von Rechten und Pflichten.

BGH, Urteil vom 21.08.2002, Az. 1 StR 115/ 02.