Die Liechtenstein Ermittlungen – geklaute Daten ankaufen und auswerten?

Die Liechtenstein-Ermittlungen – darf der Staat eigentlich den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Die Bundesregierung hat offenbar von einer Privatperson aus der Liechtensteinischen LGT-Bank entwendete Daten für 5 Mio. EUR gekauft – und damit einen „Durchsuchungsweg“ gewählt, der ihr rechtsstaatlich so nicht „so einfach erlaubt“ gewesen wäre. Denn der Staatsanwalt oder Fiskus könnten selber keine Bank so einfach ohne konkrete Verdächtige und ohne richterliche Beschlüsse aufbrechen und dort nach eventuell steuerbrisanten Daten suchen.

Wenn vorsätzliche Steuersünder bei Ermittlungen der Polizeibehörden erwischt werden, dann ist das sicherlich für das Staatssäckel sowie für das Millionenheer der braven Steuerzahler ein Gewinn. Aber wenn dabei zweifelhafte oder sogar rechtswidrige rechtsstaatliche Methoden angewandt werden, dann würden die gewonnenen Ermittlungsergebnisse genauso in Frage gestellt, wie der Gewinn für die Bevölkerung.

Es stellt sich hier die schon häufiger aufgetauchte Frage des Strafprozessrechts, ob staatliche und gemäß Art. 19 IV des Grundgesetzes Recht und Gesetz verpflichtete Ermittlungsbehörden auch Erkenntnisse verwerten dürfen, die entgegen Recht und Gesetz gewonnen worden sind.

Etliche Beweismittel sind ausdrücklich unverwertbar, andere sind es nur vielleicht nicht

Das Gesetz schreibt einige absolute Beweisverwertungsverbote (u.a. bei Folter, List) vor, die hier aber alle nicht auf die „Liechtenstein-Stiftungen“ passen.
Es erstaunt dabei also zunächst, dass das Ergebnis von privaten Nachforschungen auch dann verwertbar sein kann, wenn die Beweismittel gegen Recht und Gesetz erlangt sind – so im Übrigen auch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wer es nachlesen möchte: BGHSt 36, 167 ff.

Sind mit im Gesetz nicht ausdrücklich verbotenen Mitteln, aber entgegen der Rechtsordnung erlangte Beweise verwertbar?

Das deutsche Recht kennt aber auch weitere Beweisverwertungsverbote, die nicht ausdrücklich im Gesetz genannt sind, sondern sich erst bei Auslegung des Gesetzes, insbesondere des Grundgesetzes, ergeben.
Somit hat die Rechtsprechung in den letzten hundert Jahren zu den ausdrücklich gesetzlich geregelten Beweisverwertungsverboten einige zusätzliche Spielregeln aufgestellt und ständig wiederholt, an welche sich die Ermittlungsbehörden zu halten haben.

Beweise sind auch dann schon unverwertbar, wenn Ermittlungen gegen hochrangige Verfassungsgüter verstoßen!

Rechtswidrig erlangte Beweismittel sollen nämlich insbesondere dann unverwertbar sein, wenn Ermittlungsmaßnahmen gegen hochrangige Verfassungsgüter verstoßen, die den Schutz des Täters und der Allgemeinheit vor staatlicher Willkür bezwecken, so unter anderem schon BGHSt 36, S. 167 ff. – heimliche Tonbandaufnahme oder BGHSt 42, 139 – Hörfalle.
Dabei waren in einem entschiedenen Fall sogar Erkenntnisse verwertbar, die ein Privatmann erlangt hat, der auf Weisung der Ermittlungsbehörde ein Telefonat mitgehört hatte. Wie kann das sein?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei für die Frage der Verwertbarkeit eine Verfassungsgüterabwägung zwischen den beeinträchtigten Rechten des betroffenen Bürgers und den durch den Staat verteidigten Rechten vorzunehmen.
Hierbei ist eine Verfassungsgüterabwägung vorzunehmen – was insbesondere dann zu einfachen Ergebnissen führt, wenn es um Deilkte der Schwerstkriminaliät bzw. Menschenleben geht, wie um eine Abwägung von Menschenleben und Gesundheit gegenüber den Persönlichkeitsrechten der terroristischen Täter – so BGHSt 42, S. 139 und wohl auch BVerfGE 34, S. 246.

Überragend wichtiges Gemeingut der höchstmöglichen Steuereinnahme gegenüber Bindung der Behörde an Rechtsstaatlichkeit, Persönlichkeitsrecht und informationelle Selbstbestimmung?

Es erscheint auf den Liechtenstein-Stiftungsfall angewandt sehr fraglich, ob der „Klau von Daten“ – sofern er entweder auf gezielte Veranlassung einer Behörde erfolgt sein sollte oder sie auch nur auf diesen Zug „aufgesprungen“ sein sollte – mit einem „überragend wichtigen Gemeingut“ wie der unbeschränkten Ausübung von Steuergewalt des Staates über seine Bürger genauer gesagt mit dem Einziehen der höchstmöglichen erzielbaren Steuer gegen den Bürger gerechtfertigt werden kann.
Denn im Gegensatz zum Persönlichkeitsschutz und dem Schutz auf informationelle Selbstbestimmung/Datenschutz des Bürgers sowie dem Interesse rechtsstaatlich grundsätzlich nicht mit verbotenen sondern ausschließlich mit RECHTSSTAATLICHEN Ermittlungsmethoden behandelt zu werden (siehe Art. 19 IV Grundgesetz) – ist die Steuergewalt des Staates nicht einmal im Grundrechtsbereich sondern nur im staatsorganisatorischen Bereich angesiedelt – also viel weiter hinten im Grundgesetz als die Grundrechte des steuersündigen Bürgers, also bei den nicht so schweren Verfassungsgütern.
Demnach sollte es also schwierig werden, den Steuersünder mit geklautem Datenmaterial allein zu überführen und spätestens das Verfassungsgericht sollte hier dazu kommen die Behörden zu ermahnen, nicht dem Bruch von Recht und Gesetz durch ein Belohnungssystem Vorschub zu leisten – oder kurz gesagt, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Verwertbarkeit von Folgebeweisen?

Also müßte man falls die Ermittlungsergebnisse (geklaute Daten) womöglich nicht verwertbar sind, zur Absicherung noch weitere Beweise in der Hand halten.
Folglich empfiehlt es sich, aufgrund der möglicherweise unverwertbaren Beweismittel Hausdurchsuchungen zum Auffinden weiterer verwertbarer Beweise durchzuführen.
Fraglich könnte hier nur sein, ob denn die Früchte eines so verbotenen Baumes geerntet werden dürfen – also ob denn aus rechtswidrig gewonnenen Beweisen verwertbare Beweise gewonnen werden können.
Im deutschen Rechtssystem geht das tatsächlich. Denn der Bundesgerichtshof lehnte bislang eine solche Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten grundsätzlich ab – so u.a. kürzlich veröffentlicht in NJW 2006, S. 1361 – Nutzung von Erkenntnissen aus rechtswidriger Telefonüberwachung; oder schon früher BGH MDR 1987, S. 689, zum Ganzen auch interessante Gegenargumente bei Küpper, JZ 1990, S. 416.
Es muss also nach der bisherigen Rechtsprechung damit gerechnet werden, dass Beweismittel, die nun bei Hausdurchsuchungen aufgrund möglicherweise geklauter Daten und dann gekaufter Daten gefunden werden, bürgerbelastend verwertet werden dürfen – gleichgültig ob Sie auf einem „vergifteten Baum“ gewachsen sind oder nicht.

Fazit für die Liechtenstein-Fälle:

Es fragt sich, ob die Gerichte diese Rechtsprechung auch in den Lichtenstein Fällen durchhalten werden, wenn sich daraus ein Markt für Kopfgeldjäger entwickelt, zu welchem im Lichtenstein-Fall mit der Zahlung und dem zukünftigen Anreiz von satten 5 Millionen Euro ein solider Grundstein gelegt worden ist.
Zukunftsmusik:

In Zukunft werden „Ede und Konsorten“ an die Polizei und Staatsanwaltschaften herantreten mit folgenden Angeboten:

„Sollen wir nicht in die xy-Bank für Sie einbrechen und Bankgeheimnis-Daten für Sie da rausholen, die Sie schon immer haben wollten, das kostet sie auch nur zwei Mille ?“

„Soll ich nicht ein Telefonat für Sie abhören, Herr Kommissar, sie würden doch noch nicht einmal einen richterlichen Beschluss dafür kriegen, für „zwei Hunderter auf die Hand“ mache ich diese Arbeit für Sie.“

„Ich habe gerade bei einem Steuerberater eingebrochen und da die gesamte Bilanzbuchhaltung mitgehen lassen, da sind wohl manche dicke Fische drin, die mit ihren Steuern „rumtricksen, bis es paßt“ – 300,00 EUR pro Mandat, das ich von so einem Schurken finden kann, wenn’s recht ist Herr Kommissar?“

„Ich habe da eine Strafakte bei einem Anwalt geklaut, da sind vertrauliche Aussagen des Beschuldigten drin. Auch über Komplizen – was wolln’se für n’paar prominente Namen denn wohl springen lassen, Herr Staatsanwalt ?“

So könnten dann zukünftige Angebote von Ermittlungssöldnern und Auftragsdieben aussehen – es fragt sich, ob wir das wollen.