Handelsrecht

Kaufmännische Mangelrügepflicht

Im Handelsrecht unter Kaufleuten gilt die unverzügliche Rügepflicht bei Mängeln. Den Gesetzestext zitiere ich nachfolgend vollumfänglich:

§ 377 HGB „Unverzügliche Rügepflicht der Kaufleute“

(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.
(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.


Die Rügefrist beginnt bei Ablieferung und Untersuchungsmöglichkeit des Käufers. Eine bestellte Kaufsache gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – sofern nichts anderes zwischen den Kaufleuten vereinbart ist – unter den Kaufleuten als „abgeliefert“ und damit der Untersuchung zugänglich, wenn sie vom Verkäufer in Erfüllungsabsicht derart in den Machtbereich des Käufers gebracht wird, dass dieser sie auf das Vorhandensein von Mängeln untersuchen kann.
(Ständige Rechtsprechung des BGH, so u.a. BGH NJW 2000, S. 1415.) Die Untersuchung muss so gründlich erfolgen, dass Mängel überhaupt festgestellt werden können.

Der Unternehmer kann nur solche Mängel rügen, die für ihn bei bei ordentlicher Untersuchung erkennbar waren.
Die Untersuchung muss also seitens der Bestellerin in solchem Umfang und in solcher Art vorgenommen werden, wie es erforderlich ist, um das Vorhandensein von Mängeln festzustellen.

OLG Frankfurt NJW-RR 1986, S. 838: Zur unverzüglichen Prüfung der Ware muss die Sache unter Umständen sogar umgestaltet, verbraucht oder zerlegt werden. Sofern dabei ein Fehler nur dadurch ermittelt werden kann, dass ein Teil der Ware umgestaltet oder verbraucht wird, muss der Käufer auch solche Maßnahmen treffen.

OLG Oldenburg NJW 1998, S. 388: Wurde die Ware nach Muster bestellt, gehört zu ordnungsgemäßen Untersuchung, der Vergleich der gelieferten Ware mit dem Muster. Der Kaufmann hat, sogar dann wenn sie nach einem Muster des Lieferanten ausgesucht wurden, nach § 377 I HGB die Verpflichtung, sich nach Lieferung der Waren zu vergewissern, dass sie dem Muster auch tatsächlich entsprechen. Nur dann ist die nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang nicht nur tunliche, sondern dringend gebotene Untersuchung auch „unverzüglich“. Unterlässt der Besteller die Untersuchung und rügt er Abweichungen vom Muster erst nachher, dann gilt die Ware als genehmigt (so u.a. OLG Köln, NJW-RR 1998, S. 1496 zu § 377 II HGB). Auch eine „Leistungsdatenkontrolle“ kann zur ordentlichen Prüfung auf Mängel gehören. Z.B. ein Kaufmann, der für ein von ihm zu errichtendes „Rückkühlwerk“ Ventilatoren erwirbt, die laut Katalog des Verkäufers – unter im einzelnen festgelegten Bedingungen (Spezifikationen) die vereinbarte Leistung bei einem im Katalog dargestellten konkreten Versuchsaufbau erreichen sollen – muß die Ventilatoren spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Lieferung darauf untersuchen, ob die vereinbarten Leistungsdatenerreicht werden .OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, S. 1714; der BGH hatte übrigens in dem Fall, mit Beschluss vom 14. 7. 1999 – VIII ZR 271/98, die Revision der Bestellerin nicht zur Entscheidung angenommen.
Irrtum über Preis und Person des Geschäftspartners kann zur Vertragsanfechtung berechtigen
Der Kläger meldete sich auf eine Anzeige eines Juweliers, der sich als alteingesessendes Juweiliergeschäft mit Handelsreisenden im ganzen Bundesgebiet ausgab und Schmuckstücke zu „Einkaufspreisen eines Juweliers“ wegen Geschäftsaufgabe anbot.
Der leichtgeläubige Beklagte meldete sich daher und kaufte einen schweres Goldarmband für 10.000,00 EUR, welches mit einer „ursprünglichen“ Auszeichnung von 22.500,00 EUR versehen war.
Bei der Abbuchung seiner Anzahlung von seinem Konto stellte er jedoch zu seiner Überraschung fest, dass das Geld an einen Juwelenversandhändler aus Flensburg ging. Ein Blick in das Handelsregister ergab, dass der angeblich alteingesessene Juwelenhändler in B. nicht eingetragen war.
Des Weiteren stellte sich heraus, dass die Kette marktüblich überhaupt nur etwa 10.000,00 EUR wert war.
Der Käufer fühlte sich betrogen und wollte wegen seine Irrtums über die Person und die persönliche Lage des Verkäufers sowie wegen Täuschung über die Preisgünstigkeit vom Vertrag zurücktreten und die Anzahlung zurückhaben.
Das Amtsgericht wies die Klage ab, in dem sie diesen Irrtümer als Irrtümer über Nebensächlichkeiten abtat.
Das Landgericht Flensburg hob das Urteil auf, der Kläger bekam sein Geld zurück.
Selbst wenn man davon ausginge, zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits sei ein Kaufvertrag zustande gekommen, hätte der Kläger einen solchen jedenfalls wirksam angefochten.
Der Kläger hat den Kaufvertrag ausdrücklich mit Schreiben seines
Prozessbevollmächtigten vom 05.01.2005 angefochten. Die Anfechtungsfrist der § 119 Abs. 1, 124 Abs. 1 BGB ist gewahrt.
Durch den Inhalt der Zeitungsannonce hat die Beklagte den Kläger arglistig (§ 123 Abs. 1 BGB) über den wahren Geschäftsinhaber getäuscht.
Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB über den Geschäftsinhaber vorgelegen hat, weil die Beklagte durch die Annonce bewusst den Eindruck erweckt hat, ihr Unternehmen habe seinen Sitz in Bergisch Gladbach, es handele sich um eines, das bisher nur an Juweliere und Wiederverkäufer verkauft habe und das jetzt im Rahmen eines Schließungsverkaufs erstmalig auch an Endverbraucher verkaufe.
Diese arglistige Täuschung, die als irreführende unwahre Werbung gemäß § 16 Abs. 1 UWG strafbar ist, war auch kausal für den Kaufentschluss des Klägers. Es kommt bei der Kausalitätsprüfung nach § 123 BGB nicht darauf an, ob der Getäuschte die Erklärung „bei verständiger Würdigung des Falles““ nicht abgegeben hätte, vielmehr ist die Kausalität der Täuschung allein subjektiv zu beurteilen und bereits eine Mitursächlichkeit ausreichend (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 123, Anmerkung 24 m. w. N.). Diesen Anforderungen ist der Kläger mit seinem Sachvortrag gerecht geworden, wenn er ausführt, dass er durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen in der Zeitungsanzeige bewegt wurde, das Geschäftslokal der Beklagten aufzusuchen und dort die Kette zu kaufen. Er begab sich schließlich noch am selben Tage in das Geschäft, weil er sich wegen der von der Beklagten geschilderten außergewöhnlichen Umstände einen besonders günstigen Kauf versprach (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.06.1992, NJW RR 1993, 628, 629).
Im Übrigen kann auch eine objektive Betrachtung zu keinem anderen Ergebnis
führen. Die Beklagte muss sich an ihrem eigenen Verhalten festhalten lassen. Sie selbst ging davon aus, dass der falsche Inhalt ihrer Anzeige – es handele sich um einen Schließungsverkauf und nicht nur die Aufgabe einer Filiale – Käufer zum Kauf bewegen werde und kann sich nun nicht darauf zurückziehen, ihr Plan habe ausgerechnet beim Kläger nicht gefruchtet. Im Gegenteil ist ihr Plan strafbarer wettbewerbswidriger Anpreisung von Waren gerade auch beim Kläger aufgegangen.
Die Täuschung über einen Schließungsverkauf wurde sogar noch dadurch verstärkt, dass die Kette mit einem Schild versehen war, auf dem ein Preis von 22.500 € durchgestrichen und durch 12.500 € ersetzt worden war. „
…….Fortsetzung des Zitats………..
„Durch die Preisauszeichnung in Verbindung mit der Annonce suggerierte die
Beklagte, dass es sich bereits bei dem durchgestrichenen Preis von 22.500 € um den Großhandelspreis gehandelt habe und nunmehr ein Kauf zu einem deutlich reduzierten Großhandelspreis möglich sei.
„…….Fortsetzung des Zitats………..“
Die Beklagte hat dem Kläger arglistig vorgespiegelt, bereits bei dem ursprünglich ausgezeichneten Preis (22.500 €) handele es sich um einen Großhandelspreis.
Anders als im Rahmen der Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB kann der Preis einer Ware im Rahmen des § 123 BGB Kriterium einer arglistigen Täuschung sein.
Wird im Einzelfall unter Hervorhebung besonderer Umstände von einem besonders günstigen Preis oder von einem besonderen Angebot gesprochen, dann liegt im Einzelfall eine arglistige Täuschung vor, wenn der tatsächlich verlangte Preis keineswegs günstig ist (OLG Hamm, a. a. O.). Das ist hier der Fall. Der an der Kette ausgewiesene ursprüngliche Preis von 22.500 € entsprach nicht üblichen Großhandelspreisen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten soll nämlich erst der vom Kläger nochmals herunter gehandelte Preis von 10.000 € dem Großhandelspreis entsprochen haben.
Es kann offen bleiben, ob die Täuschung kausal für die Abgabe der Willenserklärung durch den Kläger war.
3. Schließlich läge bei einem wirksamen Vertragsschluss – wie das Amtsgericht
ebenfalls zutreffend angenommen hat – hinsichtlich der Person des Geschäftspartners zusätzlich ein Irrtum des Klägers im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB vor.
Es kann offen bleiben, ob dieser Irrtum auch ursächlich für den Kaufentschluss des Beklagten geworden ist. Dafür könnte sprechen, dass schließlich mit der Auflösung eines Bergisch Gladbacher Schmuckgroßhandels geworben wurde, tatsächlich handelte es sich um den Verkauf eines Flensburger Juweliergeschäftes, das bis heute fortbesteht. Hier könnte es deshalb nicht um einen üblichen Güteraustausch gegangen sein, sondern für den Kläger könnten die Besonderheiten des angeblichen Vertragspartners im Vordergrund gestanden haben (vgl. BGH Urt. v. 27.12.1960, BB 1960, 152).

LG Flensburg, Urteil vom 31.01.2006, Az. 1 S 101/05


Fehler bei der Bezeichnung des Geschäftspartners berechtigt i.d.R. nicht zur Vertragsanfechtung

Das LG Flensburg setzte sich dabei ganz nebenbei zusammenfassend und schlagwortartig mit den Grundsätzen des „unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts“ auseinander, welches den Grundsatz beinhaltet, dass man auch wirksam einen Kaufvertrag schließen kann, wenn der Vertragspartner nicht richtig bezeichnet ist. Deshalb soll dieser Abschnitt des Urteils hier auch noch zitiert werden:
„Es kann offen bleiben, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert unter
Berücksichtigung der Grundsätze über die sogenannten „unternehmensbezogenen
Geschäfte“, hinsichtlich derer Folgendes gilt: Wird insbesondere im kaufmännischen
Geschäftsverkehr ein Vertrag ausdrücklich mit einem Unternehmen oder einer Firma
geschlossen und betrifft der Vertragsinhalt einen zum Unternehmensbereich
gehörenden Gegenstand, so wird grundsätzlich der Unternehmensinhaber
Vertragspartner, ohne dass es darauf ankommt, ob der den Vertrag Abschließende
als Vertreter handelt und dies auch kenntlich macht.
§ 164 Abs. 2 BGB ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil nicht zweifelhaft ist, wer Vertragspartner sein soll.
Der Inhalt des Rechtsgeschäfts bzw. die Begleitumstände müssen nur die eindeutige Auslegung zulassen, dass ein bestimmtes Unternehmen berechtigt oder verpflichtet und ersichtlich der Inhaber dieses Unternehmens Vertragspartner sein soll (Schramm a.a.O., m. w. N.; OLG Koblenz, Urt. v. 27.10.2003, NJW-RR 2004, 345, 346).
Es reicht sogar, wenn der Vertreter namens einer nicht existierenden Scheinfirma handelt, hinter dieser Firma jedoch ein tatsächlicher Träger des Unternehmens steht, der als wirklicher Vertragspartner gewollt ist und dem Vertreter Vollmacht erteilt hat.
Davon abzugrenzen sind indessen Fälle, in denen die Person des Vertretenen nicht lediglich unrichtig bezeichnet wird, sondern für den Geschäftspartner gerade eine Rolle spielt (BGH, Urt. v. 18.01.1996, NJW 1996, 1053, 1054).“

LG Flensburg, Urteil vom 31.01.2006, Az. 1 S 101/05