Hausdurchsuchung, Razzia

Der Schrecken der Privatsphäre – Die Durchsuchung. Sie soll den Tatverdächtigen überführen oder entlasten. Aber selbst wenn sie ihn vermeintlich überführt, gibt es anschließend noch Chancen, die in der Art und Weise ihrer Vorbereitung, Organisation und der Durchführung der Durchsuchung begründet liegen und letztlich zur Unverwertbarkeit der belastenden Beweismittel führen können.

Hierzu sei bemerkt, dass z.B. in den Jahren 2005 bis 2008 immerhin 20 Prozent aller erfolgreichen Verfassungsbeschwerden eine Wohnungsdurchsuchung betrafen (so der ehem. Richter am Bundesverfassungsgericht Mellinghoff, in der „taz“, Rubrik Politik/Deutschlandvom 28.10.2011).

Es soll an dieser Stelle eine wichtige Frage vorweg beantwortet werden, die mich in dem zurückliegenden Jahrzehnt oft erreichte, wenn das Handy – wenn, dann meist früh morgens zwischen sechs und acht Uhr – klingelte und ein aufgeregter Ratsuchender von einer Durchsuchung in seinen Wohn- oder Geschäftsräumen berichtete. Dies verbunden mit der hoffnungsvollen Bitte, sogleich diese Maßnahme, die (natürlich) einen unerträglichen und aus Sicht des Betroffenen auch völlig willkürlichen Eingriff in seine Intimssphäre darstellte, zu stoppen.

Es muss dazu leider grundlegend bemerkt werden: Die Fortsetzung einer im Gang befindlichen Durchsuchung ist in diesem Stadium in aller Regel nicht mehr vermeidbar (wenn auf der Durchsuchungsanordnung nicht gerade ausnahmsweise mal der Nachbar der Doppelhaushälfte als der richtige Adressat der Maßnahme vermerkt ist).

Die Rechtmäßigkeit einer solchen Durchsuchung, auch wenn sie erfolgreich für die Behörde ist, ist aber in vollem Umfang überprüfbar – und darin liegt die einzige Chance, die eine Durchsuchung dem Beschuldigten bietet, dessen Unschuld sie nicht beweist: Die Prüfung der Verwertbarkeit der durch die Durchsuchung gefundenen Beweismittel für das weitere Strafverfahren, insbesondere die Fragestellungen der Zulässigkeit der Einführung der Beweismittel in das Gerichtsverfahren und darüberhinaus der Zulässigkeit der Beweisverwertung in einem Urteil gegen den Angeklagten.

Denn unrechtmäßig erlangte Beweismittel dürfen gemäß den §§ 252, 146 ff. StPO, Art. 19 IV GG grundsätzlich nicht verwertet werden; ich zitiere hier bewußt die einschlägige Norm der Strafprozessordnung mit der Rückendeckung durch das Grundgesetz. Auch hiervon gibt es jedoch sehr wenige Ausnahmen, die in der Abwägung des Schutzes des Angeklagten und höherrangiger Rechtsgüter dagegen begründet sind, z.B. wenn Leib und Leben anderer Art. 1,2 GG bei fehlender Verwertung in Gefahr sind.

Aus der Überprüfung der Durchsuchung und insbesondere der Vorgehensweise der Ermittler kann sich nämlich ergeben, dass die Durchführung der Durchsuchung rechtswidrig war und die mit der Durchsuchung gewonnenen Beweise nicht verwertet werden dürfen.
Die Chance der anwaltlichen Tätigkeit bei der Durchsuchung liegt also in den seltendsten Fällen in der Verhinderung einer im Gang befindlichen Durchsuchung, sondern vielmehr in der Beobachtung und Überprüfung der bei dieser Durchsuchung durch die staatlichen Organe einzuhaltenden, gesetzlichen Durchsuchungsvorschriften sowie der nachträglichen Prüfung des ordnungsgemäßen Zustandekommens der Durchsuchung.

Nur ganz ausnahmsweise, wenn z.B. ganz offensichtlich die falsche Wohnung als die im Durchsuchungsbeschluss genannte durchsucht wird (Namensverwechslung), aber die Polizei möchte das „nicht zur Kenntnis nehmen“, dann kann man die Durchsuchung vielleicht noch abbrechen lassen – indem man die Polizei oder den Notstaatsanwalt als Dienstvorgesetzten der Ermittler anruft.
Dann kann die offensichtlich rechtswidrige Durchsuchung durch diese Stellen durch eine vernünftige Diskussion zunächst einmal unterbrochen und wahrscheinlich letztlich auch abgebrochen werden.

Man muss sich aber im Regelfall immer vor Augen halten, es sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft, die durchsuchen.
Es müssen also realistischerweise zum Stoppen dieser Maßnahme so gravierende und offensichtliche Umstände der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungshandlungen vorliegen, die das Herbeirufen anderer Polizeibeamter erfolgreich erscheinen lassen, die die Durchsuchenden an der weiteren Durchsuchung hindern sollen. Selbst in Zweifelsfällen, z.B. bei Namensfehlern im richterlichen Beschluss (z.B. Meya unter der Adresse, anstatt Meyer) ist das schon menschlich sehr problematisch: immerhin sind es deren Arbeitskollegen. Mit anderen Worten könnte man drastischer formulieren, zur Unterbrechung einer Durchsuchung während diese im Gange ist, müssen Voraussetzungen vorliegen, bei denen herbeigerufene Polizeibeamte sich veranlasst sehen würden, die durchsuchenden Polizeibeamten wegen Hausfriedensbruchs gegebenenfalls sogar festzunehmen.

Wenn nicht so gravierende Mängel der Voraussetzungen der Durchsuchung ganz offensichtlich ist es in der Praxis nahezu utopisch, davon auszugehen, man könnte die gerade stattfindende Durchsuchung durch irgendwelche Eilmaßnahmen unterbrechen.

So schwer es auch fällt, man kommt in 99% der Fälle nicht umhin, die Beamten mit sichergestellten Unterlagen, Pcs, CD-ROMs, DVDs etc. zunächst einmal abziehen zu lassen – natürlich nicht ohne sich ein ordnungsgemäßes Protokoll aushändigen zu lassen und einer Sicherstellung ggf. vorsorglich zu widersprechen.

Die Chance, die die Rechtsberater des Betroffenen dann noch haben ist, dass die so gewonnenen Beweismittel nachträglich für unverwertbar erklärt werden.

Unverwertbar sind gefundene Beweismittel nämlich dann, wenn ihre zwar nicht auf den ersten Blick rechtmäßige Gewinnung so unrechtmäßig war, dass die Rechtsstaatlichkeit gebietet, diese eventuell sogar den Tatnachweis führenden Beweismittel nicht gegen den Betroffenen zu verwerten.
Die gefundenen und zur Überführung geeigneten Beweismittel müssen dann so behandelt werden, als wären sie gar nicht gefunden worden.

Die in der Regel nicht offen aus dem Durchsuchungsbeschluss sondern meist erst aus dessen Zustandekommen zu Tage tretende Rechtswidrigkeit einer Durchsuchung, resultiert regelmäßig aus Fehlern des Durchsuchungsbeschlusses oder Fehler bei der der Durchführung der Durchsuchung.

Die klassische Chance für die Durchsuchungs-Betroffenen sind – im Eifer des Gefechts und oft auch gerade wegen der Routine vorkommende – Fehler auf Seiten der Ermittlungsbehörden, die natürlich grundsätzlich nicht zum Nachteil des Betroffenen verwendet werden dürfen.

Einige Mängel bzw. Chancen – wie man will – werden in der Justiz unter anderem darauf zurückgeführt, dass etliche Ermittlungsrichter, aus Gründen unzureichender personeller Ausstattung der Amtsgerichte, unter zu starkem Zeitdruck stehen, dass man gerade bei umfangreichen Verfahren kaum eine vollständige Kenntnis des Sachstands erlangen könne und dass das notwendige Fachwissen in Spezialgebieten des „dazu aus anderen Ressorts abkommandierten Ermittlungsrichters“ fehlen kann (zu den Gründen vgl. etwa auch Lilie, ZStW 111, S. 1999, S. 808 (817); Geppert, DRiZ 1992, S. 405 (410); Müller, AnwBl 1992, 349 [351]; Weber, DRiZ 1991, 116 [117]).

Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass das „Ermittlungsverfahren an sich“ bereits gewichtige Einschnitte in das Leben der davon Betroffenen bedeuten kann und sogar folgenreich sein kann.

Z.B. beamtenrechtlich kann die Nichteinstellung wegen laufender strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Bewerber als eine zulässige Ermessensausübung der einstellenden Behörde beurteilt werden, diesen nicht einzustellen.

So wenig problematisch, dass „Ermittlungsverfahren an sich“ aber im allgemeinen für „den nicht Prominenten“ und sich „nicht um eine Beamtenstelle bewerbenden“ Betroffenen, der in einer Großstadt lebt, sein dürfte – um so problematischer ist die Durchsuchung für den Betroffenen immer, wenn sie in vielen Fällen zu deutlichen Ermittlungserfolgen für den Staat führt.

Man fragt jedenfalls auf Seiten des Betroffenen regelmäßig nach den Ansatzpunkten Durcsuchungsergebnisse in Verfahren zu „torpedieren“.
Denn die Durchsuchung al s sogar sehr persönlicher Eingriffe des Staates in die Privatsphäre des Betroffenen ist natürlich nicht „einfach so“ zulässig.
Die Ermittler haben dei auch die genauen gesetzlichen Vorschriften beachtet haben, um eine solch drastische Maßnahme überhaupt durchführen zu können.

Denn immerhin bestimmt Art. 13 I GG die Unverletzlichkeit der Wohnung und gewährleistet damit für den Einzelnen im Hinblick auf seine Menschenwürde und im Interesse der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit einen ganz elementaren Lebensraum, in welchem der Bürger das grundsätzliche Recht hat, „in Ruhe gelassen“ zu werden.
Jedoch gibt der gleiche Gesetzgeber in einem weiteren Gesetz – der Strafprozeßordnung – die Einschränkung vor, dass die Behörden nach den § 98 ff. StPO die Befugnis haben, eine Durchsuchung und sogar die Beschlagnahme von Eigentum durchzuführen .

§ 102 StPO Durchsuchung

Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

§ 98 StPO “Anordnung der Beschlagnahme“
(1) Beschlagnahmen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten (§ 152 des GVG) angeordnet werden. Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt darf nur durch den Richter angeordnet werden.
(2) Der Beamte, der einen Gegenstand ohne richterliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung beantragen, wenn bei der Beschlagnahme weder der davon Betroffene noch ein erwachsener Angehöriger anwesend war oder wenn der Betroffene und im Falle seiner Abwesenheit ein erwachsener Angehöriger des Betroffenen gegen die Beschlagnahme ausdrücklichen Widerspruch erhoben hat. Der Betroffene kann jederzeit die richterliche Entscheidung beantragen. Solange die öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, entscheidet das Amtsgericht , in dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat. …

Nach diesen gesetzlichen Vorschriften kann bei Vorliegen eines entsprechend hinreichenden Verdachtes eine Durchsuchung grundsätzlich nur von einem Richter angeordnet werden.

Im Rahmen seiner Prüfung und Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses soll der unabhängige Richter nach dem Gesetz als neutrales Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden für eine angemessene Begrenzung der Maßnahme Sorge tragen und etwaigen Übergriffen vorbeugen (BVerfGE 77, S. 1 (51).
Der Richter darf daher die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme rechtmäßig und verhältnismäßig ist. Er hat zudem durch geeignete Formulierungen des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, dass der Grundrechtseingriff angemessen begrenzt wird sowie messbar und kontrollierbar bleibt.

Der Richter hat also vor allem den Rahmen, die Grenzen und das Ziel einer Durchsuchungsmaßnahme zu definieren
(BVerfGE 96, 44 (51f.) = NJW 1997, 2165).

Damit die Durchsuchung nicht ausufert, muss er dabei den Durchsuchungsbeschluss so konkret wie möglich abfassen, Inhalt und Grenzen der Durchsuchung müssen für die ausführende Gewalt klar aus dem Beschluss erkennbar sein.

Größter Feind der Justiz ist hierbei aber die Amtsroutine – dies bedeutet also, dass mitunter im hektischen Alltagsgeschäft ein Durchsuchungsbeschluss „nach Antrag“ ausgefertigt wird, noch bevor die Angelegenheit überhaupt jemals unter „verfassungsrechtlichen Erwägungen“ durch den entscheidenden Richter intensiv überdacht wird (siehe dazu auch BVerfG NJW 1997, 383).
Zu solchen Schnellschüssen kann auch beitragen, dass die Anträge der Staatsanwaltschaft in manchen Zweifelsfällen mit „Formularen“ und „Computertextmasken“ schon so gestellt werden, dass alles auf den ersten Blick eigentlich „ganz normal“ und begründet aussieht – nämlich „so wie immer“.

Dabei zieht sich der „erste Blick“ oft durch die Instanzen – denn immerhin werden etliche Durchsuchungsbeschlüsse erst durch das Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt, sie hatten die ersten Kontrollinstanzen reibungslos durchlaufen.
Gerade deswegen darf im Bereich der richterlichen Kontrollinstanz weder an Justizpersonal noch an Mühen gespart werden, um nicht nur die Unabhängigkeit des Richters zu gewährleisten sondern ihm auch eine intensive Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zu ermöglichen.
Dennoch die Justizkostenpolitik in den letzten Jahren anscheinend in die völlig gegenteilige Richtung, was ungeahnte Verteidigungschancen im Ermittlungsverfahren eröffnet.

Der Richter darf nach § 102 StPO den Durchsuchungsbeschluss nur anordnen, wenn für eine Durchsuchung ein ausreichender Verdacht vorliegt.
Mit richterlichem Ermessen zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang, wie stark diese Verdachtsmomente den sein müssen, um eine Durchsuchung zu rechtfertigen – man könnte auch drastischer sagen: Wie stark muß der Verdacht und die aufzudeckende Tat sein, um in das Schlafzimmer des Betroffenen vorzudringen.

Zunächst reicht grundsätzlich das Vorliegen von Tatsachen aus, die nach polizeilicher Erfahrung das Vorliegen einer Straftat begründen können aus, um überhaupt irgendwelche Ermittlungen gegen eine Person anzustellen, z.B. um den Betroffenen zu beobachten, seine Personalien festzustellen, Zeugen zu befragen, etc. .

Das kann z.B. der Typ sein, der sich zögernd umsehend mit einem Backstein in der Hand vor der Schaufensterscheibe eines Juwelierladens steht. Aber beispielsweise auch der Typ, der eine IP-Adresse bei einer Downloadanforderung von illegalen Kinofilmangeboten im Internet hinterlassen hat.

In solchen Fällen ist es wohl für jedermann nachvollziehbar begründet, ein Ermittlungsverfahren wegen eines auf polizeilicher Erfahrung und gesunden Menschenverstandes gegen die verdächtig Gewordenen, also die mit dem Backstein und der IP-Adresse bzw. Telefonnummer aufzunehmen.

Das heißt zunächst, die Polizei ist berechtigt und sogar gehalten, die Sachverhalte zu überprüfen und festzustellen, ob weitere Anhaltspunkte für eine ausgeführte oder versuchte Straftat vorliegen. Sie kann auf dieser Basis zunächst Auskünfte bei den Telefongesellschaften und Providern einholen, in einem solchen Fall z.B. über die Zuordnung der IP-Adresse – im Download-Beispiel also, zu welchem Internetdienst die IP-Adresse gehört und ggf. wem der Telefonanschluss zugeordnet werden kann, über den die Internetverbindung aufgebaut und im Verlauf der Internetverbindung der Kinofilm angefordert wurde.
Dabei kann die Möglichkeit dahinstehen, ob der Betroffene im Ergebnis auch ein redlicher Bürger gewesen sein könnte (immerhin auch denkbar).
Denn nach herrschender Meinung muss für einen Anfangsverdacht ein Tatverdacht noch nicht einmal soweit konkretisiert sein, dass die Beschuldigteneigenschaft schon begründet werden könnte.
Es reichen zur Verdachtsbegründung i.S.d. § 152 II StPO konkrete Tatsachen aus, welche es als möglich erscheinen lassen, dass nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat vorliegt; ebenso ist anerkannt, dass sich der Verdacht nicht gegen eine konkrete Person richten muss. Aus den oben genannten Beispielen wird schnell klar, dass das in den meisten Fällen oft zunächst gar nicht möglich ist (weiterführend dazu Eisenberg , Conen: § 152 II StPO: Legalitätsprinzip im gerichtsfreien Raum? NJW 1998, S. 2243 m.w.N.).

Um jedoch den Bürger so schwer zu belasten, wie mit einer Durchsuchung, um ggf. in seine privatesten Räume vordringen und seine Kleiderschränke durchsuchen zu dürfen, da reicht ein solcher „Erfahrungssatz“ ohne weitere Anhaltspunkte allein noch nicht ganz aus.
Die erhebliche Belastung des Bürgers mit solchen polizeilichen Maßnahmen muss regelmäßig noch im Verhältnis zum Grad des Verdachtes und der schwere der in Betracht kommenden Tat stehen.
Doch gerade an diesem Punkt – also an der Schwelle zwischen Anfangsverdacht und durchsuchungserheblichem Verdacht, gibt es in der Praxis immer wieder Reibungspunkte zwischen den Staatsorganen und den Betroffenen.
So hat z.B. das Amtsgericht Saalfeld am 03.07.2001 entschieden, dass eine Durchsuchung allein zu „Ausforschungszwecken“, ob denn da eine Straftat begangen worden ist oder nicht, auch durch einen Richter nicht angeordnet werden darf. Nach dieser Entscheidung reicht eine nur statistische Wahrscheinlichkeit, dass eine Straftat begangen worden ist für sich genommen für eine so belastende Maßnahme nicht aus (AG Saalfeld, NJW 2001, S. 3642).
In dem drastischen aber gerade deswegen auch sehr beispielhaften Fall, welcher dem AG Saalfeld zur Entscheidung vorlag, begründeten Polizei und Staatsanwaltschaft die Durchsuchung damit, dass Personen, bei denen eine frühere Durchsuchung schon einmal erfolgreich verlaufen war, auch ohne besondere neue Verdachtsgründe in regelmäßigen Abständen Durchsuchungen ihrer Person und ihrer Wohnung erdulden müssten.
Das Amtsgericht erklärte in dem Fall, unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, NJW 1991, 690 (691), eine Durchsuchung auf diesem Boden für eine Form der ausufernden Staatswillkür und erklärte die Durchsuchung für rechtswidrig.
Dieses Beispiel einer nach den strengen Verfassungsvorgaben erwogenen Entscheidung – wenn auch eines kleinen Amtsgerichts, dass diese verfassungsrechtlichen Erwägungen anstellt – zeigt bereits deutlich auf, dass es gar nicht so leicht für Polizei und Staatsanwälte ist, für Ermittlungen an einen Durchsuchungsbeschluss zu gelangen.
Ein einfacher Erfahrungssatz reicht dazu offenbar wegen der deutlichen Grundgesetzvorgaben nicht aus.
Aus diesem Beispiel wird also sehr deutlich, dass für einen Durchsuchungsbeschluss regelmäßig Verdachtsmomente vorliegen müssen, die nicht nur auf eine bestimmte Person hinweisen sondern gegen diese vor allem auch einen durch Tatsachen konkretisierten, aktuellen und individuellen Verdacht begründen.

„Bloße Vermutungen“, die zwar einen einfachen Anfangsverdacht und damit verbundene weniger einschneidende Maßnahmen (Zeugenbefragungen etc.) begründen bekönnen, reichen für den sehr drastischen Eingriff einer Durchsuchung jedenfalls nicht aus – die Vorwürfe müssen schon sehr konkret sein (so auch LG Offenburg, StV 1997, 626 [627] .

Zur bloßen „Ausforschung“ (Also der KLärung der Frage: Hat der wohl irgendetwas strafbares gemacht?) darf in das Grundrecht des Art. 13 GG nicht eingegriffen und eine Durchsuchung nicht angeordnet werden. Vielmehr muss sich der Verdacht gegen den Beschuldigten auf bestimmte Umstände gründen und bereits in gewisser Weise konkretisiert sein; Z.B. Nachbarn haben den Betreffenden beim Verstauen von Beute beobachtet oder ein Zeuge erklärt, der Verdächtige haben ihm Hehlerware angeboten; oder eine Täterbeschreibung weist sehr starke Ähnlichkeiten auf und der Beschuldige ist bereits einschlägig in Erscheinung getreten.

Eine lediglich statistische Wahrscheinlichkeit, dass eine Straftat begangen worden ist, kann nicht genügen, um eine Durchsuchung zu rechtfertigen. Dies kann regelmäßig nur zusammen mit Umständen begründet werden, die auf eine bestimmte Person hinweisen und gegen diese einen durch Tatsachen konkretisierten, individuellen Verdacht begründen.

Ein Eingriff in die gesetzlichen Rechte des Betroffenen aus Art. 13 GG muss insbesondere ein angemessenes Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts wahren.

Zweifel an der Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung äußerte das Bundesverfassungsgericht im Fall einer nicht besonders schwerwiegenden Straftat: Der Betroffene hatte – legal – einen sogenannten „Allbereichsempfänger“ erworben. Diese Geräte können u.a. dazu genutzt werden, unzulässigerweise den Polizeifunk, den Rettungswagen- und den Taxifunk sowie etliche Typen drahtloser Telefone und sogar diverse Militärfunkfrequenzen abzuhören. Konkrete Anhaltspunkte für einen tatsächlichen illegalen Einsatz (u.a. gegen § 15 I 1 FAG a.F.) des Gerätes lagen jedoch in dem Fall nicht vor BVerfGE 96, 27 (29ff., 43) = NJW 1997, 2163. Denn der Verdächtige besaß einfach nur ein Gerät, mit dem das durchaus „gehen konnte“.
In dem Fall hatte die Staatsanwaltschaft bereits aufgrund einer nur statistischen Wahrscheinlichkeit des Einsatzes des Gerätes auf das Vorliegen einer Straftat geschlossen und die Durchsuchungsmaßnahme war im Ergebnis denn auch erwartungsgemäß vom Bundesverfassungsgericht für rechtswidrig erklärt worden.
ich von Art. 13 GG vorgeschriebene Kontrollinstanz.
Der Ermittlungsrichter muss den Sachverhalt und die Rechtslage vor der Durchsuchung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sorgfältig geprüft und unterzeichnet haben.
Es bleibt in diesem Zusammenhang zu hoffen, dass der zuständige Richter den Durchsuchungsbeschluss „hoffentlich“ auf dem Boden der oben bereits angesprochenen Rechtsprechung nur ausfertigt, wenn ein „hinreichender Verdachtsgrund“ gegen den Betroffenen vorliegt, nämlich dass die Durchsuchungsmaßnahme zur Auffindung von Beweismitteln in einem Strafverfahren führen wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat dabei die Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss in vielen Verfahren enger gezogen (Hierzu auch weiterführend und ausführlich schon: Kruis/Wehowsky, Verfassungsgerichtliche Leitlinien zur Wohnungsdurchsuchung, NJW 1999, S. 682), was im nachfolgenden aufgeschlüsselt werden soll:

a) Definition des Zwecks der Durchsuchung

Die rechtmäßige richterliche Anordnung muss den Tatvorwurf so eingrenzen, dass aus dem Beschluss deutlich hervorgeht, was gesucht wird.

Erwähnt werden soll in diesem Zusammenhang auch die Gefahr, dass Durchsuchungsbeschlüsse, die unter bagatellhaften, fadenscheinigen Gesichtspunkten eine richterliche Prüfung passieren, mit dem gezielten Hintergedanken eines übereifrigen Ermittlers, bei dieser Gelegenheit andere, bloß vermutete Straftaten aufzudecken, für die man aber nicht genügend Anhaltspunkte für eine Durchsuchung hat – mit anderen Worten, wenn ein Ermittler zu sogenannten Zufallsfunden kommen möchte und damit dem Täter überhaupt irgendwas anzuhängen.
Grundsätzlich wird dazu aber klarstellend bemerkt, dass Erkenntnisse auf neue Straftaten, die aus Zufallsfunden gewonnen werden, natürlich grundsätzlich verwertbar sind.
Verhindert werden muss aber der Durchsuchungsantrag, der missbräuchlich gestellt wird, um gezielt nach Zufallsfunden zu suchen. Manchmal gibt es ganze Ermittlungsverfahren, die bei ihrer näheren Prüfung so ausgestaltet werden, dass nach einer Mücke in der Hoffnung gesucht wird, gerade (vielleicht) einen Elefanten zu finden.
Ein solcher Rechtsmissbrauch wird aber bei dessen Nachweis weder von Gerichten noch vom Gesetzgeber gefördert.

b) Genaue Bezeichnung des Tatvorwurfs

Die dem Vorwurf zugrunde liegenden Tatsachen müssen genau bezeichnet sein, damit auch überhaupt erst vom Beschuldigten geprüft werden kann, ob er nicht vielleicht schon der Falsche ist, bei dem durchsucht wird und er ggf. schon aus diesem Grunde Rechtsmittel gegen die Durchsuchung und die Verwertung derer Ergebnisse ergreift.

Der Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist.
Dies versetzt den Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (BVerfG NJW 2001, S. 1121; BVerfGE 42, 212 (S. 220).

Allein die Angabe des gesetzlichen Straftatbestandes – also des abstrakten juristischen Vorwurfs – ohne diesen durch weitere Tatsachen – also einen allgemein verständlichen Sachverhalt – zu untermauern reicht nicht aus – wie etwa ein Durchsuchungsbeschluss begründet wegen des „Verdachts eines Mordes“ (BVerfG, NStZ 1992, S. 91) oder die Begründung mit dem Verdacht der Steuerhinterziehung oder des Raubkopierens oder eines Diebstahls.

Der der Tat zugrunde liegende Lebenssachverhalt muss durch tatsächliche Angaben nachvollziehbar umrissen werden, z.B. Bezeichnung des Tatopfers, der Tatzeit, der Tatbegehung, der Beteiligungsform des Maßnahmebetroffenen und die Angabe von Gründen, warum bei diesem Beweismittel gefunden werden können und so genau wie möglich, wonach gesucht werden soll – nach Unterlagen, Datenträgern, Werkzeugen etc. .

Hierbei sind „richterliche Vereinfachungen“ nicht zu vermeiden, da man meist nicht genau feststellen kann, z.B. welche Werkzeuge der Täter zur Tat verwendet hat und es den Rahmen eines Durchsuchungsbeschlusses und die Phantasie der Gerichte überstrapaziert, wollte man von einem Richter verlangen, dass er alle denkbaren Werkzeuge, die einem beispielsweise einem Softwarepiraten im Zusammenhang mit der Tat denkbar zu Verfügung stehen.

Hierzu auch das Zitat aus dem Urteil des BverfG vom 03.07.2006: „Ist für die betroffene Zeugin nicht ersichtlich, weshalb sich die Durchsuchungsmaßnahme gerade gegen ihre Wohnräume richtet, schränkt dies die Messbarkeit und Kontrollierbarkeit der Maßnahme ein.
Dem Betroffenen wird etwa die Möglichkeit genommen, bereits vor Beginn der Durchsuchung eine Klärung offensichtlicher Unrichtigkeiten herbeizuführen, etwa im Falle einer Personenverwechslung. § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt für die Suche nach Beweismitteln bei Dritten die Angabe von Tatsachen, aus denen zu schließen ist, dass sich die gesuchte Sache gerade in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Schon deshalb hätte es eines zumindest kurzen Hinweises auf die angenommene Verbindung zwischen der Beschwerdeführerin und den Beschuldigten bedurft (vgl. dazu auch Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. <2005>, § 103 Rn. 6). Der Durchsuchungsbeschluss erschöpft sich dagegen in einer Wiederholung des Wortlauts der gegenüber den damaligen Beschuldigten erlassenen Durchsuchungsbeschlüsse und erwähnt die Beschwerdeführerin überhaupt nur in ihrer Eigenschaft als Inhaberin der zu durchsuchenden Wohnung.“ (BVerfG, Az. 2 BvR 299/06, Urteil vom 03.07.2006)

c) Zu durchsuchende Räumlichkeiten.

Neben der Verhältnismäßigkeitsprüfung und dem genauen Sachverhalt sind in einem wirksamen Durchsuchungsbeschluss auch die zu durchsuchenden Räumlichkeiten möglichst genau zu bezeichnen, wobei in der Regel die Adreßangabe (z.B. „Wohnräume des Beschuldigten X, Y.-Straße in Z.-Stadt“) ausreicht.

Geht es um die Durchsuchung großer Gebäudekomplexe mit Dutzenden von Büroräumen und kann aufgrund gegebener Anhaltspunkte die Möglichkeit des Auffindens von Beweisstücken in bestimmten Räumen (z.B. die Küche oder das Badezimmer) ausgeschlossen werden, ist die Anordnung entsprechend zu begrenzen (BVerfG NJW 1994, S. 2079), sucht man trotzdem weiter rum, können Ergebnisse unverwertbar sein.
Etliche unwahrscheinliche Räume werden dennoch in kaum einem Durchsuchungsbeschluss ausgenommen, selbst wenn kaum zu erwarten ist, dass z.B. elektrische Computeranlagen, die weder gegen Spritzwasser noch gegen Feuchtigkeit geschützt sind, sich im Badezimmer oder in der Küche befinden.
Bei Steuerunterlagen mag es unwahrscheinlich sein, dass diese sich im Badezimmer befinden oder im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Können die Ermittlungsbehörden vor der Durchsuchung nicht ausschließen, dass bestimmte Räume oder Betriebsteile als Aufbewahrungsorte der zu findenden Beweismittel in Betracht kommen, sollte jedoch man den Bogen an die Anforderungen an die Konkretisierung eines solchen Beschlusses jedoch nicht überspannen (BVerfG, NJW 1994, S. 2079).
Hier liegen aber sicherlich noch manche Möglichkeiten für umfassende Verfahrensprüfungen und Manöver durch die Verteidigung, so z.B. gerade in einer für die Ermittlungsbehörden und Richter oft auch noch technisch für viele Ermittler so undurchsichtigen Materie wie der Computer- und Internetpiraterie.

Oftmals findet man in Durchsuchungsbeschlüssen auch die Klausel dass die Arbeitsräume „und andere Räume“ zu durchsuchen sind.

Eine solche Formulierung kann, wegen ihrer Unbestimmtheit und weil eine Ausuferung der Durchsuchung vorprogrammiert ist, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Durchsuchungsbeschlusses nicht genügen.
Es sind vielmehr alle bei Erlass der Anordnung bekannten Räumlichkeiten, in denen Beweisstücke auffindbar sein können, und auf die sich deshalb die Durchsuchung erstrecken soll, in der Anordnung zu bezeichnen (BVerfG, NJW 1992, S. 551 ff.).

Wem nun diese Begrenzung der Ermittlungsbehörde zu eng gesetzt ist, den wird beruhigen, dass wenn während der Durchsuchung Hinweise auf bislang unbekannte, vom Beschuldigten genutzte Objekte auftauchen, die „Gefahr im Verzug“ diese Beweismittel ansonsten zu verlieren, auch deren Durchsuchung rechtfertigen kann.

d) Möglichst genaue Bezeichnung der aufzufindenden Gegenstände

Je nach Eigenart des Tatvorwurfs und des Ermittlungsstandes wird die „genaue Bezeichnung“ häufig relativ pauschal ausfallen.
So ließ das BVerfG bei der Durchsuchung einer Bank, deren verantwortliche Mitarbeiter dem Verdacht einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung unterlagen, folgende auf den ersten Blick pauschal aussehende Formulierung unbeanstandet (BVerfG NJW 1994, S. 2079 (S. 2080):

„…Unterlagen, die im Zusammenhang mit der verheimlichenden Transferierung von Geld in das und aus dem Ausland stehen“

Um so nötiger ist in einem solchen Fall allerdings die Bezeichnung des konkreten Tatvorwurfs, also des Sachverhalts, aus dem sich regelmäßig die Eigenarten der aufzufindenden Beweismittel ergeben (Dazu Kruis/Wehowsky, Verfassungsgerichtliche Leitlinien zur Wohnungsdurchsuchung, NJW 1999, S. 684 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1997 – 2 BvR 960-97: „Bei dem im Beschluß beschriebenen, einfach gelagerten Sachverhalt war für die Durchsuchungsbeamten wie auch für die von der Durchsuchung betroffenen Beschuldigten klar erkennbar, welche Geschäftsunterlagen als Beweismittel in Betracht kommen konnten“).
Den Ermittlungsbehörden und dem Untersuchungsrichter ist hier eine beispielhafte Aufzählung der zu suchenden Gegenstände dringend zu empfehlen.

Gerade im Bereich der zu durchsuchenden „neuen Medien“ (also Computeranlagen udn Servern) ist hier darauf zu achten, dass wenn Software, Excel-Tabellen und Word-Dateien gesucht werden, nicht alle Unterlagen, die im Schreibtisch des Tatverdächtigen untergebracht sind und womöglich noch der Inhalt der schriftlichen Aufzeichnungen im Telefontisch vom Durchsuchungsbeschluss gedeckt sind, sondern zu eingrenzend die Computeranlage und Datenträger, wie z.B. CDs, DVDs, Memory-Sticks, Festplatten zu bezeichnen sind – damit die Durchsuchung verhältnismäßig mit Blick auf den Zweck bleibt.

In etlichen Fällen wird man sich auch Fragen, ob es notwendig ist, einen ganzen Computer zu Auswertungszwecken sicherzustellen, sondern ob es nicht ausreichen und sogar verhältnismäßiger sein dürfte, Speichermedien, Festplatten des Tatverdächtigen aus dem Gerät auszubauen – soweit das unproblematisch und vollständig (!) möglich ist; es ist hierbei insbesondere zu berücksichtigen, dass in Computeranlagen mehrere Speichermedien eingebaut sind, manchmal vier oder mehr Festplatten.

e) Erkennbare Verfassungsprüfung

Sehr wichtig ist für die Wirksamkeit eines Durchsuchungsbeschlusses und damit für die Verwertbarkeit der Ergebnisse zudem, dass der anordnende Richter in dem Beschluss nachvollziehbar zu erkennen gibt, dass er gemäß seiner verfassungsgemäßen Pflicht auch die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geprüft hat.
Die Durchsuchungsanordnung muss insbesondere erkennen lassen, dass der Richter sowohl das Bestehen eines Anfangsverdachts als auch die Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung geprüft hat (BVerfGE NJW 1997, 2163; dazu ausführlich auch schon Kruis/Wehowsky, Verfassungsgerichtliche Leitlinien zur Wohnungsdurchsuchung, NJW 1999, S. 682).
Es muss aus dem Beschluss feststellbar sein, ob der Richter die notwendige Prüfung nachvollziehbar durchgeführt hat. Ausreichend ist dabei nach der Rechtsprechung allerdings eine umrisshafte Darstellung der schwere der Tat im Verhältnis zur Maßnahme, wenn andernfalls der Ermittlungszweck gefährdet wäre (BVerfG NJW 1997, S. 2163).
Immerhin bekommt der von der Maßnahme Betroffene den Durchsuchungsbeschluss vor oder meist während der Durchsuchung zu lesen. Er soll auch keine Mittäter warnen oder Zeugen unter Druck setzen können und natürlich von Spontangeständnissen durch eine zu umfassende Fassung des Ermittlungsstandes auch nicht abgehalten werden.

Diese Fragen sind nach wie vor spannende Punkte für die Verteidigung bei der Verwertung von Beweismitteln, die aus Durchsuchungen stammen.

Abschließend ist zum Thema der richterlich angeordneten Durchsuchung noch anzumerken, dass das Bundesverfassungsgericht der Gültigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses eine äußerste zeitliche Grenze von einem Jahr gezogen hat
(BVerfG NJW 1997, S. 2165; kritisch Roxin StV 1997, S. 654).

Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass sich – bei besonderen Umständen des Einzelfalls – auch verfassungsrechtliche Rechtsprechung in den zurückliegenden Jahren, wenn auch sehr schwerfällig, zu Gunsten der Ermittler aufgeweicht hat.

g) Ausnahmsweise Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss bei Gefahr im Verzug

Ergibt nun die Prüfung durch die Verteidigung, dass eine Durchsuchung ohne wirksamen richterlichen Durchsuchungsbeschluss erfolgt ist, muss diese Durchsuchung als „Durchsuchung bei Gefahr im Verzug“ behandelt werden.
Denn auch Durchsuchungen ohne einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss sind in engen Grenzen möglich und deren Ergebnisse so verwertbar, als hätte ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorgelegen.
Es stellt sich bei der Durchsuchung oft die Frage, ob die richterliche Prüfung, dass die Voraussetzungen der Durchsuchung im konkreten Fall vorliegen oder nicht, immer und vor jeder Durchsuchung eingeholt werden konnte.
In vielen Fällen können nämlich durch den „förmlichen Antrag“ einer Durchsuchung an ein Gericht wichtige Beweismittel verloren gehen.

Daher gibt es vom verfassungsrechtlichen Richtervorbehalt, der einen richterlichen Beschluss über die Zulässigkeit der Durchsuchung gebietet, eine notwendige Ausnahme: Die sogenannte Gefahr im Verzug.
Das heißt, dass Ermittlungsbeamte auch ohne einen vorherigen richterlichen Durchsuchungsbeschluss Wohnungen durchsuchen dürfen, sofern eine „dringende Gefahrenlage“ vorliegt.
Es fragt sich vor allem, wann die Gefahr im Verzug vorliegt und wer diese überhaupt feststellt.
Das Grundgesetz sieht in Art. 13 II GG ausdrücklich die Ausnahme vor, dass Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe – d.h. bei der strafprozessualen Durchsuchung gem. § 105 I 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft bzw. deren Hilfsbeamten i.S.d. § 152 GVG – angeordnet werden dürfen.
Dabei wird die Gefahr im Verzug durch die jeweils ermittelnden Behörden festgestellt.
Das ist in erster Linie die Staatsanwaltschaft. Die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sind dabei regelmäßig nach den Polizeiorganisationsgesetzen der jeweiligen Bundesländer Polizeibeamte. Diese Polizeibeamten müssen also – in ihrer Funktion als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft – also ohne einen Richter entscheiden, ob eine Gefahr im Verzug vorliegt oder nicht.
Es fragt sich dabei jedoch, ob die Annahme einer „Gefahr im Verzuge“ im Ermessen der jeweiligen Hilfsbeamten steht oder ob diese sich aus Zwecken der Gewaltenkontrolle nach immer gleichen objektiven Kriterien richten müssen?
Wenn man die Auffassung vertritt, dass die Hilfsbeamten sich dabei nach einem starren „Fahrplan“, einer vorgegebenen Prüfung richten müssen, nimmt in Kauf, dass ein Verstoß gegen diese letzteren objektiven Kriterien seitens der Ermittlungsbehören dann sogar ein Verwertungsverbot der bei einer solchen Durchsuchung gewonnenen Beweise zur Folge haben.
Deshalb ist den Polizeibeamten nach der Rechtsprechung in jedem Einzelfall ein im Kern nicht überprüfbarer eigener Ermessensspielraum eingeräumt, wenn Gefahr im Verzug vorliegt – also als absolute Fahrplan-Grundvoraussetzung nach kriminalistischer Erfahrung ein Beweisverlust ohne die Maßnahme droht (BGH JZ 1962, S. 610).

Wie eng diese Voraussetzung des Beweismittelverlustes gezogen ist, betonte das Bundesverfassungsgericht, als es entschied, dass für die Feststellung einer Gefahr im Verzug durch die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft die einfache, bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlusts nicht genüge (BVerfG NJW 2001, S. 1121 = BVerfG NStZ 2001, S. 382).

Die Annahme von Gefahr im Verzug kann auch nicht allein mit dem lapidaren Vermerk begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen (BVerfG NJW 2001, S. 1121).

Gefahr im Verzug kann auch nicht dadurch entstehen, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre tatsächlichen Voraussetzungen selbst bewußt herbeiführen.

Sie dürfen nicht so lange mit dem Antrag an den Ermittlungsrichter zuwarten, bis die Gefahr eines Beweismittelverlusts tatsächlich eingetreten ist, und damit die von Verfassungs wegen vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters unterlaufen. An dieser Stelle endet ihr Spielraum, das Ermittlungsverfahren nach kriminalistischen und taktischen Erwägungen frei zu gestalten.

Es gibt aber unter den juristischen Experten auch andere Ansichten dazu, die sich jedoch bislang nicht so recht durchsetzen konnten. Danach ist – aus Gründen der Rechtssicherheit für den Bürger, insbesondere zur Vermeidung von Willkür – zur Feststellung der Gefahr im Verzug kein Ermessensspielraum gegeben, sondern die Vorlage von Gefahr im Verzug muss immer gleichen objektiven Kriterien durch den Polizeibeamten bestimmt werden.
In der Literatur werden die Neigung zu exzessiver und zum Teil missbräuchlicher Anwendung der Eilkompetenz durch die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere durch die Polizei immer wieder beklagt (so u.a. schon Nelles, Kompetenzen und Ausnahmekompetenzen in der Strafprozessordnung, 1980, S. 247ff.).

Diese Ansicht wird besonders auch dadurch unterstützt, dass die Durchsuchung wegen Gefahr in Verzug lediglich eine Notmaßnahme darstellt, für die ansonsten immerhin das Grundgesetz ausschließlich und wörtlich den richterlichen Beschluss vorsieht.

Dem Polizeibeamten, der sich in dieser Situation in seiner Beurteilung der Lage an die Stelle des gesetzlichen Richters setzt, obwohl er eigentlich aus ausführendes Organ des Staates ist, darf danach auch nur ein durch Richter bereits eng umrissener Beurteilungsspielraum gegeben sein.

Das Bundesverfassungsgericht gibt den Ermittlungsbehörden jedenfalls einen am Einzelfall orientierten Spielraum, bei der Beurteilung, ob eine Gefahr im Verzug vorliegt oder nicht. Dabei sind ihm jedoch Grenzen gesetzt, insbesondere ist bei solchen Eilmaßnahmen in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein Eilfall vorliegt oder nicht.

Das Bundesverfassungsgericht machte dies in einer Entscheidung von 2001 noch einmal wörtlich deutlich, in dem es in einer Entscheidung darauf besonders einging, dass Gerichte und Strafverfolgungsbehörden im Rahmen des Möglichen tatsächliche und rechtliche Vorkehrungen zu treffen haben, damit die in der Verfassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters für Durchsuchungsbeschlüsse – auch in der Masse der Alltagsfälle – gewahrt bleibt.

Das Verfassungsgericht stellte dabei auch fest, dass der Begriff der „Gefahr im Verzug“ in Art. 13 II GG eng auszulegen ist und fand Anlass auch deutlich klarzustellen: Die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme (dies musste tatsächlich das Verfassungsgericht klarstellen in BVerfG NJW 2001, S. 1121).

Der Richtervorbehalt des Art. 13 GG verpflichtet alle staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt auch praktisch durchgeführt wird, also dass eine wirksame richterliche Kontrolle stattfindet.
Sofern die richterliche Kontrolle einer Durchsuchung problematisch wird, müssen sowohl die Gerichte – die einzelnen Ermittlungsrichter ebenso wie die für die Bestellung der Ermittlungsrichter und die Geschäftsverteilung nach § 21e I 1 GVG berufenen Präsidien als auch die Strafverfolgungsbehörden einem solchen Defizit der richterlichen Kontrolle entgegenwirken.
Dies betrifft natürlich auch die Länder, die für die Wahrung der Grundrechte einstehen müssen, die zuständigen Minister und alle Beamten haben sich in ihrem Amtseid im Übrigen dazu verpflichtet, die Grundrechte zu wahren.

Wenn nun aber Beweismittel aufgrund der Kürze der Zeit verloren zu gehen drohen, gestattet das Gesetz ganz ausnahmsweise eine Durchsuchung auf den nichtrichterlichen Beschluss der Ermittlungsbeamten „aus der Situation“ heraus wegen „Gefahr in Verzug“.

Gefahr im Verzug ist also immer dann anzunehmen, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Bei der strafprozessualen Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln (§§ 102 Alt. 2, 103 S. 1 Alt. 2 StPO) soll diese sogenannte „Eilkompetenz“ die Ermittler in die Lage versetzen, einen Beweismittelverlust zu verhindern.

Das Risiko für die Ermittler ist bei dieser Eilmaßnahme aus „Gefahr im Verzug“ jedoch hoch: Jede Durchsuchung ohne einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss birgt die Gefahr für die Ermittler und die gesamte im weiteren Verfahrensverlauf beteiligte Justiz in sich, dass die Beweismittel letztlich unverwertbar sind – mögen bei einer solchen Maßnahme auch die „vollste Festplatte“ demontiert sowie hunderte von „selbstgebrannten“ CDs sichergestellt worden sein!

Auch deshalb muss eine solche Eilmaßnahme vom jeweiligen Ermittler gut überlegt sein und auch ggf. seinen Vorgesetzten als wenn auch schnell so doch sorgfältig überdachte Maßnahme verantwortet werden können.
Daher müssen die Strafverfolgungsbehörden die Entscheidung, ob auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls von der Gefahr eines Beweismittelverlusts auszugehen ist, so rechtzeitig treffen können, dass dieser Gefahr wirksam begegnet werden kann (BVerfG NJW 2001, S. 1121).

Die Feststellungen, warum der Ermittlungsbeamte darum bangte, dass ein Verlust der Beweismittel im konkreten Einzelfall zu befürchten war, muss jeweils im Polizeiprotokoll niedergelegt sein – dies dokumentiert einerseits, dass die Maßnahme durch den jeweiligen Ermittlungsbeamten ausreichend bedacht worden ist und zum anderen macht sie sie objektiv einfacher überprüfbar.

Die „Gefahr im Verzug“, sofern sie objektiv betrachtet vorliegt, muss jeweils mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind; reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen nicht aus.
Die Auslegung und Anwendung des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterliegt der unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte sind allerdings gehalten, der besonderen Entscheidungssituation der nichtrichterlichen Organe mit ihren situationsbedingten Grenzen von Erkenntnismöglichkeiten Rechnung zu tragen.

Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung der Annahme von „Gefahr im Verzug“ setzt voraus, dass sowohl das Ergebnis als auch die Grundlagen der Entscheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme in den Ermittlungsakten dokumentiert werden (BVerfG NJW 2001, S. 1121).
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu auch klargestellt: Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nicht allein mit dem einfachen, ganz abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen gewesen.
Insbesondere hierzu muss auf der Grundlage einer zeitnahen Dokumentation seitens der Strafverfolgungsbehörden die Durchsuchungsanordnung in einem späteren gerichtlichen Verfahren begründet werden (BVerfG NJW 2001, S. 1121; BVerfG NJW 1957, S. 297; BVerfG NJW 1978, S. 2235).
Das Bundesverfassungsgericht geht in seiner sehr umfassenden und überaus deutlichen Entscheidung zu Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug davon aus: Eine nachträglich gerichtliche Kontrolle der Durchsuchung bei Gefahr im Verzug ist nur ausreichend möglich, wenn nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Grundlagen der Entscheidung der Behörden und ihr Zustandekommen zuverlässig erkennbar werden (BVerfG NJW 2001, S. 1121; BVerfG NJW 1982, S. 2173; BVerfG NJW 1985, S. 1519).
Hier muss schon ganz konkret und detailliert dargelegt werden, ob man versucht hat, einen Richter zu erreichen und warum das nicht gelungen ist und welche alternativen Maßnahmen zur Verfügung standen.

Die Pflicht der Ermittlungsbehörden ergibt sich dabei nach der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich aus dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip in Art. 19 IV GG.
Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters, auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes, zu sichern.