Insolvenzrecht

Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter als Kläger und das Kostenrisiko des Beklagten

Die Insolvenzordnung begründet keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, vor der Erhebung einer Klage oder während des Verfahrens die Interessen des Prozessgegners an einer Erstattung seiner Kosten zu berücksichtigen.

BGH, Urt. vom 02.12.2004, Az. IX ZR 142/03

Eine Haftung könnte aber nach § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung entstehen, nämlich wenn Insolvenzverwalter sehr leichtfertig Klagen erhebt, weil er sie als „risikolos“ erachtet, da ihm nur allzu klar ist weiß, dass gegnerische Kostenerstattungsanspruch nicht sodern nur die Kosten des Schuldners für das Verfahren gedeckt sind.

BGHZ 148, S. 175 ff.

Auch ein Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter darf Rechtsanwalt zu Lasten der Masse beauftragen

Ein Insolvenzverwalter darf, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen aus der Masse entnehmen.
Der Insolvenzverwalter muss seine Erwägungen selbstverständlich rechtfertigen können, warum er Fachleute beauftragt und dazu Honorare aus der Masse entnommen hat.
Das Insolvenzgericht ist im Rahmen der Vergütungsfestsetzung des Verwalters verpflichtet zu überprüfen, ob die Beauftragung gerechtfertigt war.

BGH, Urteil vom 11.11.2004, Az. IX ZB 48/04


Durchsuchungen bei Verdacht der Insolvenzverschleppung zur Auffindung von Betriebsunterlagen rechtmäßig

Beide Eheleute waren gemeinsam Geschäftsführer der Z. Verwaltungs-GmbH, welche die persönlich haftende Gesellschafterin der Z. GmbH & Co. KG war.
Die Insolvenz wurde durch Gläubigeranträge eröffnet, es wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, das hervorhob, es lägen keine Buchhaltung, kein Kassenbuch und keine Bilanzen für die Geschäftsjahre 1997 und 1998 vor.

Ein Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Buchführungspflichten wurde eröffnet und ein Durchsuchungsbeschluss, der die Durchsuchung der „Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume“ des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau unter deren Wohnanschrift in B. anordnete, wurde vollzogen, weil dies „vermutlich zur Auffindung von Beweismitteln, insbesondere Geschäftsunterlagen, Geschäftsbüchern und Bankdokumenten der KG führen könne.
Denn gegen die Ehegatten bestehe der „Verdacht, u. a. entgegen § 130a HGB es vorsätzlich es unterlassen zu haben, als organschaftliche Vertreter bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen“.
Das Landgericht verwarf die hiergegen gerichtete Beschwerde als unbegründet.
Das Bundesverfassungsgericht hielt die Durchsuchung insbesondere nicht für unverhältnismäßig und nahm die Beschwerde gar nicht erst zur Entscheidung an.
Es sei ausreichend für einen solchen Beschluss, dass dem Sachverständigen im Insolvenzverfahren Buchhaltungsunterlagen und Bilanzen gefehlt hätten.
Daraus konnten sich sowohl indiziell der Verdacht eines Vergehens nach § 130b i.V.m. § 130a HGB als auch die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Durchsuchung zur Sicherstellung der Beweisgegenstände ergeben.

BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002, 2 BvR 380/01.

Aufklärung über Nachschusspflicht der Anleger bei Insolvenz muss erfolgen

Der Anleger ist über ein eventuelles Nachschussrisiko bei einer Geldanlage aufzuklären.
In dem Fall hatte die Beklagte den Anleger nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass er ein Verlust- und Insolvenzrisiko hinsichtlich der noch nicht gezahlten Raten zu tragen hatte. Die Zeichnungssumme der Anlage war in dem Anlagevertrag in der Regel erst nach 15 bis 30 Jahren erreicht.
Bei einer Insolvenz vor erreichen der Zeichnungssumme wären die Anleger jedoch gemäß § 236 Abs. 2 HGB eventuell sogar verpflichtet gewesen, noch den gesamten Rest der Einlage zu zahlen; über diese Gesetzeslage wurden sie jedoch nicht informiert, möglicherweise ging die Beklagte in dem Verfahren davon aus, dass jeder Kunde das Handelsgesetzbuch (HGB) auswendig kennt….

OLG Hamm, Urteil vom 30.04.2003, Az. 8 U 92/02

Ein Gläubiger kann Insolvenzantragspflicht nach § 64 GmbHG begründen

Zahlungsunfähig ist auch ein Schuldner, der nur einen einzigen Gläubiger hat und finanziell außerstande ist, diesen zu befriedigen

BGHZ 149, 178 ff.

Zahlungsstockung kein Insolvenzeröffnungsgrund

Eine Zahlungsstockung, die sich bei gewissenhafter Prognose innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, ist kein Insolvenzeröffnungsgrund.
Als Zeitraum für die Kreditbeschaffung sind zwei bis drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.
Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zeigt, daß das Gesetz eine Ungewißheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft längstens drei Wochen hinzunehmen bereit ist

BGH, Urteil vom 24.05.2005; Az. IX ZR 123/04


Drei Wochen Frist zur Sanierung

Die Geschäftsführung hat grundsätzlich drei Wochen Zeit, die Gesellschaft zu sanieren, spätestens dann muß Insolvenzantrag gestellt werden.

BGH, NJW 1979 1823 ff.


Gläubiger muss Nachweisen, dass sein Schaden bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung des Geschäftsführers nicht eingetreten wäre

Zitat OLG Saarbrücken: „Der Geschäftsführer einer GmbH haftet aus § 826 BGB wegen verspäteter Stellung eines Insolvenzantrags nur dann auf Erstattung von Insolvenzausfallgeld, wenn der Gläubiger nach den Rechtsgrundsätzen der Zurechnung eines schadensstiftenden Unterlassens den ihm obliegenden Beweis dafür führen kann, dass die Zahlung von Insolvenzausfallgeld bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags vermieden worden wäre.
Für die Anerkennung von Darlegungs- und Beweiserleicherungen ist jedenfalls dann kein Raum, wenn zwischen dem Zeitpunkt der nachgewiesenen Zahlungsunfähigkeit und der Zeitspanne des Insolvenzgeldbezugs ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.“
Obwohl der Geschäftsführer einem Unternehmensgläubiger gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn er die Insolvenz vorsätzlich in der Absicht verschleppt, die als unabwendbar erkannte Insolvenz solange wie möglich hinauszuzögert und er dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf nimmt.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.11.2006, Az. 4 U 49/06-16


Bei Anzeichen für Liquiditätsprobleme – rechtzeitig Sozialbeiträge zurücklegen

Nach § 266a Abs. 1 StGB macht sich auch strafbar, wer zwar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistungsfähig war, es aber bei Anzeichen von Liquiditätsproblemen unterlassen hat, Sicherungsvorkehrungen für die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zu treffen, und dabei billigend in Kauf genommen hat, daß diese später nicht mehr erbracht werden können. Das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen setzt nicht voraus, daß an die Arbeitnehmer tatsächlich Lohn abgeführt wurde.

BGH, Beschluss vom 28.05.2002, Az. 5 StR 16/02

Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters auch an Dritten überlassenen Mietgegenständen der Schuldnerin

Der Insolvenzverwalter ist auch zur Verwertung der Gegenstände berechtigt, die der Schuldner aus betrieblichen Gründen einem Dritten zum Zwecke der Weitervermietung an dessen Kunden überlassen hat.
Verwertet der absonderungsberechtigte Gläubiger eine bewegliche Sache, ohne dazu vom Insolvenzverwalter ermächtigt worden zu sein, schuldet er der Masse die Feststellungskostenpauschale.

Auch an Gegenständen, die der Insolvenzverwalter nur mittelbar besitzt, besteht ein Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO.
Hat ein Schuldner eine sicherungsübereignete Sache gewerblich vermietet oder verleast, besteht auch hieran ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters.
Dieser benötigt sicherungsübereignete Gegenstände, die der Schuldner gewerblich einem Dritten gegen Entgelt überlassen hat, regelmäßig sowohl für eine Unternehmensfortführung als auch für eine geordnete Abwicklung.
Gleiches gilt auch für Betriebsgegenstände, die der Schuldner einem Dritten überlassen hat, damit dieser die Gegenstände lagere und an Kunden für und im Namen des Schuldners weiter vermiete, weil sie im Betrieb des Schuldners – möglicherweise wegen Rückgangs der Aufträge – zeitweise nicht benötigt werden.

BGH, Urtiel vom 16.11.2006, Az. IX ZR 135/05